Jerry Cotton - 0563 - Der letzte Mann in Jennys Leben
flackerte noch immer in ihren Augen. Sie trug schwarze Stretchhosen, Gummistiefel und einen zimtfarbenen Pullover.
Ich trank einen kleinen Schluck, von meinem Whisky-Soda. Elsa schob Mary zur Couch. Als die beiden Frauen saßen, sagte ich: »Also, Miß Davis, mich interessiert alles brennend, was mit Ihrer Schwester zu tun hat. Fangen wir ganz von vorn an. Elsa ging einkaufen. Sie waren hier allein. Da klingelte das Telefon. Bitte, Ihre Story!«
Mary nahm sich eine Zigarette. Douglas ließ das Tischfeuerzeug aufschnappen.
»Es war Jennys Stimme«, sagte Mary. »Ich habe sie sofort erkannt. Im ersten Moment war ich fassungslos. Ich fragte, ob sie mich gesehen habe, so wie ich sie heute morgen in der Haupthalle der Penna Station. Aber davon hatte Jenny keine Ahnung. Eben erst, so sagte sie, habe ich von jemandem erfahren, daß du hier bist. Können wir uns treffen? Natürlich wollte ich das. Ich bat sie, herzukommen. Aber sie lehnte ab. Wir einigten uns auf den Schnellimbiß neben dem ›Haus der Einrichtung‹ in der 92. Straße. Jenny bat mich, niemanden mitzubringen und keinem von unserem Treffen zu erzählen. Jetzt, da ich es doch tue, breche ich mein Versprechen. Das heißt, alles, Mr. Cotton, alles werde ich Ihnen nicht sagen. Wo sich Jenny versteckt, das behalte ich für mich.«
»Erzählen Sie erst mal weiter.«
»Ich ging zu dem Schnellimbiß und setzte mich an einen Tisch in der Ecke. Jenny kam unmittelbar nach mir. Sie sieht prächtig aus, noch schöner als früher. Aber sie hat Angst, und die Angst wird sie eines Tages krank machen. Sie fühlt es. Deshalb will sie noch in dieser Woche für immer aus New York verschwinden.«
»Hat sie zu Mesher Verbindung?«
»Nein, sie versteckt sich vor ihm.«
»Dann ist sie ihm damals also entkommen?«
»Ja. Es war so: Jenny rief an diesem Juliabend das FBI an, ohne zu ahnen, daß sämtliche Gespräche in Meshers Villa auf Tonband aufgenommen werden. Mesher, so sagte Jenny, traue niemandem. Einer seiner Gangster hatte die Aufgabe, während Meshers Aufenthalt in Mexiko alle sechs Stunden Tonbänder abzuhören. Unglücklicherweise geschah das etwa zehn Minuten nach Jennys Gespräch mit Ihrer Dienststelle, Mr. Cotton. Der Gangster griff sofort zu, betäubte Jenny und sperrte sie im Keller ein. Dann…«
»Wie heißt der Mann?«
»Steve Preston. Er muß derselbe sein, der…«
»Er ist es. Bitte, weiter!«
»Preston rief Mesher an, erzählte ihm, was los war, und holte sich Instruktionen. Mesher schäumte vor Wut. Offenbar hat er geahnt, daß ihn Jenny ’reinlegen will. Er ordnete an, daß sie einem gewissen Gregory Human übergeben werde. Human bekam den Auftrag, sie zu töten und die Leiche zu beseitigen. Human scheint der Henker der Bande zu sein. Kennen Sie ihn?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dieser Human ist noch jung«, fuhr Mary fort, »Jenny wußte, daß er seit langem in sie vernarrt ist. Deshalb schöpfte sie Hoffnung. Mit Humans Wagen fuhren sie nach Norden. Was sich dann abgespielt hat, muß für meine Schwester schrecklich gewesen sein. Hinterher gestand Human, daß er niemals die Absicht gehabt habe, sie umzubringen. Aber um Jennys Angst zu steigern, verhielt er sich zunächst ganz anders. Jenny flehte und bat. Aber er ließ sich scheinbar nicht erweichen. Erst als Jenny dachte, daß alles aus sei, machte er sein Angebot.«
»Nämlich?«
»Er stellte sie vor die Wahl, entweder seine Geliebte zu werden und mit ihm zu leben — oder zu sterben. Jenny sagte mir, dieser Human sehe nicht schlecht aus. Außerdem ist meine Schwester nicht die Frau, die in den Tod geht, um ihre Ehre zu retten. Klar, daß sie einwilligte. Seitdem lebt sie mit Human zusammen. Mesher weiß natürlich nichts davon. Er hält sie für tot. Und dann«, Mary lächelte beinahe, »dann ist etwas Merkwürdiges geschehen. Denn jetzt ist Jenny in diesen Gregory Human verliebt. Ich gebe zu, ich verstehe das nicht. Aber Jenny hängt wirklich an ihm. Nicht nur, weil er sie am Leben läßt. Nicht nur, weil er selbst sein Leben riskiert. Denn Mesher würde ihn umbringen lassen, wenn er wüßte, daß sein Befehl nicht ausgeführt wurde.«
»Trotzdem will sie New York verlassen?«
»Mit Hurtian. Das Risiko wird zu groß, wenn sie hierbleibt. Während der ersten Wochen hat sich Jenny nicht aus dem Haus gewagt. Sie wohnt in einem der Außenbezirke. Allmählich ist sie kühner geworden. Heute hat sie sich sogar bis zur Penna Station getraut. Aber jedesmal zittert sie. In New York halten
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