Jerry Cotton - 0564 - Der Mann mit der roten Peruecke
würgte Winters hervor. »Freilich. Tony läuft schon ’rüber, um dir ’ne Kanne Eiswasser zu holen…«
Tony Murriday stand oben auf der Rolltreppe, um den Krankenträgern den Weg frei zu machen ,sobald sie kommen würden. Ed Winters wußte von Korea her, daß man einem Mann nichts zu trinken geben darf, der einen Bauchschuß hat. Und mag er mit der letzten Verzweiflung seines schmerzgepeinigten Körpers darum winseln.
»Ed«, stieß Alster schwer atmend von neuem hervor.
»Ja, Fred? Hör zu, Fred! Du solltest jetzt vielleicht besser den Mund halten, alter Junge. Du weißt ja, daß du eins abgekriegt hast. Das flicken die Medizinmänner schon wieder zurecht. Bei einem Mann wie du! Aber jetzt solltest du wirklich lieber den Mund halten. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Fred. Hier läuft schon alles richtig. Kannst dich drauf verlassen. Wir sind doch alle durch deine Schule gegangen.«
»Ed«, stieß Alster wieder hervor, »Ed, hör doch!«
Winters beugte seinen Kopf noch tiefer. »Ja, Fred?« krächzte er heiser.
Er hatte gesehen, wie Alster gegen den Tod ankämpfte. Für Sekundenbruchteile schon hatten sich trübe Schleier über Alsters Augen geschoben. Ed Winters hatte diese Schleier in einer kalten Koreanacht über den Augen von vier Kameraden gesehen, als sie schutzlos an einem Berghang klebten und feindlichem Beschuß ausgesetzt gewesen waren. Und genau wie damals — so kämpfte jetzt wieder ein Kamerad gegen den heimtückischen Tod, der sich doch schon in seinem Körper eingenistet hatte. Ed Winters sah, wie die Augen des Lieutenants wieder Glanz bekamen. Noch einmal trieb die Lebensenergie des Lieutenants das kalte, schwarze Gespenst zurück, das durch seine Adern kroch.
»Ed! Es waren… waren Cops, die die Bank geplündert haben… Männer in… in Polizeiuniformen… Stadtpolizei…« Ed Winters fuhr unwillkürlich zurück. Cops! Männer in den Uniformen von Cops! Großer Gott, und er hatte die ganze Station selbstverständlich nur für Zivilisten abriegeln lassen!
Aus Alsters Mund drang ein herzzerreißendes Wimmern. Seine blutbesudelten Hände krampften sich in seine Uniform, die längst ein einziger blutiger Lappen war. Es war, als wollte der Lieutenant mit bloßen Fingern die Kugel aus seinen Eingeweiden reißen. Ein schriller Schrei gurgelte aus Alsters Rachen hinaus und über die Köpfe, die Kioske und die Züge hin. Eine Frau wurde ohnmächtig. Ein Mann schob sich hastig zur Bahnsteigkante und erbrach sich. Alsters Körper bäumte sich auf. Er wimmerte in wahnsinnigem Schmerz, bis die Erschöpfung ihn zurücksinken ließ auf den kalten Betonboden.
Doch noch einmal siegte seine unbändige Lebenskraft. Noch einmal gewannen seine Augen die Klarheit des ungetrübten Bewußtseins zurück.
»Ed…«, krächzte er mit schwindender Kraft. »Ed… einer… von… von den Cops… Finger… Finger… Ed…«
Ein jäher Krampf riß noch einmal seinen gepeinigten Leib zusammen. Ed Winters fühlte nicht, daß Tränen über seine Wangen liefen. Er sah nur aus nächster Nähe, wie sich wieder die trüben Schleier über die Augen des Lieutenants schoben.
Und diesmal wichen sie nicht mehr.
***
Lindsay sah sich im Wagen um. Es waren wenigstens dreißig Leute hier drin. Tob Harris hatte also keine Möglichkeit, etwas gegen ihn zu unternehmen. Nicht vor all diesen Leuten, die Augenzeugen werden würden. Nein, da konnte Harris nichts machen. Aber wie lange würden diese Leute hier drin bleiben? Lindsay konnte nicht ewig in diesem U-Bahn-Wagen sitzen. Er mußte schließlich einmal aussteigen — und das Geld unter seinem Sitzpolster in Stich lassen?
»Ich hab’ dich was gefragt!« knurrte Harris böse.
»Eh?« brummte Lindsay. Harris war ihm so dicht auf den Leib gerückt, daß Lindsay das süßliche Rasierwasser riechen konnte, das Harris verwendete. Angewidert rümpfte der Bankräuber die Nase. Warum, zum Teufel, fuhr der Zug eigentlich nicht ab? Würden sie etwa noch einmal kommen und noch einmal alles kontrollieren? Diesmal vielleicht gründlicher als vorhin?
»Ich habe dich gefragt, wie du so schnell deine Haare losgeworden bist!« knurrte Harris. »Und ich möchte eine Antwort, Kumpel!«
»Was für — ach so! Du meinst die Perücke.«
Harris runzelte die Stirn. Er kratzte sich nervös an seinem linken kleinen Finger, dessen vorderstes Glied fehlte.
»Perücke?« wiederholte er. »Du hast eine Perücke getragen?«
Lindsay senkte den Kopf. Auf seine Glatze trat Schweiß. »Ich muß
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