Jerry Cotton - 0564 - Der Mann mit der roten Peruecke
drohte. Und in diesem Augenblick hatte der Mann draußen auch schon zum Revolvter gegriffen. Aber dabei hatte er seine Aufmerksamkeit schon von Andrew abgewandt und durch die Glastür herein in die Bank gestarrt. Harris’ Komplice wurde von ihm angestarrt — und Harris hatte als erster geschossen: geschossen und getroffen. Jetzt war er ein Copkiller. Ein Verbrecher, den alle Polizisten dieser Erde gnadenlos jagen würden, wo auch immer sie auf seine Fährte stießen. Harris spürte, daß der Schweiß in Strömen an seinem Hals und an seinem Oberkörper herunterlief. Hatten die Jungen herausgefunden, was er war? Wenn sie es erfahren hatten — würden sie ihm dann trotzdem helfen?
»Also passen Sie auf, Mister«, sagte der Junge in seiner schläfrigen Art, die nichts als gespielte Lässigkeit war. »Das mit der Bank stimmt. Und wir machen mit. Wir helfen Ihnen, den Kerl zu finden, der mit der Sore getürmt ist. Ich habe nichts übrig für Kerle, die ihre eigenen Freunde betrügen wollen. Aber eins muß klar sein: Geteilt wird das Geld, wenn wir es überhaupt finden, zur Hälfte.«
In diesem Augenblick hätte Harris selbst einem noch ungünstigeren Verhältnis zugestimmt. »Gut«, seufzte er erschöpft. »Aber zuerst muß ich die Uniform loswerden.«
»Das habe ich mir schon überlegt«, sagte Helldy. »Sie kriegen die weiße Jacke von dem Neger, der hier unten Aufsicht hat. Das ist meiner Meinung nach das beste. Es wimmelt von Cops in der Station. Wer etwas anhat, das ihn so aussehen läßt, als ob er irgendwie zum Personal hier gehört, ist noch am besten dran. Verstehen Sie?«
Harris schob die Unterlippe vor. »Keine schlechte Idee«, brummte er. »Nur: wie kriegen wir die Jacke?«
»Das mache ich schon.« Er wandte sich an den Jungen neben ihm: »Stan, du schaffst den Neger heran. Erzähl ihm, mit deiner Wanne wäre was nicht okay. Oder mit dem Heißwasserhahn. Laß dir was einfallen — aber bring ihn her!«
»Okay, Devvy.«
Der Junge ging hinaus. Das Mädchen setzte sich auf den Rand der Wanne und starrte Harris mit unverhohlener Neugier an. Wenige Minuten später hörten sie draußen auch schon die näher kommenden Schritte des Waschraumwärters und des Jungen, der ihn brachte. Gleich darauf wurde die Kabinentür geöffnet.
Der Neger mit der starken Brille, hinter deren ringförmigen Randspiegelungen man die Augen kaum noch erkennen konnte, blieb verwirrt stehen, als er in einer Badekabine plötzlich mehrere Leute entdeckte.
»Was ist denn los?« fragte er. »Weil der Heißwasserhahn nicht funktioniert, muß man doch nicht gleich die Polizei holen! Sir, ich…«
Er kam nicht weiter. Der Anführer der Bande war von hinten an ihn herangetreten und hatte ausgeholt. Es gab ein dumpfes Geräusch, als sein Totschläger den alten Mann auf den Hinterkopf traf. Der Unglückliche verlor augenblicklich die Besinnung und stürzte zu Boden. Helldy stieß ihn mit der Fingerspitze an.
»Zieht ihm die Jacke aus«, sagte er zu dem anderen Jungen und zu dem Mädchen. »Und Sie, Mister, schnallen sich den Gürtel ab und ziehen die Uniformjacke aus. Es wird Zeit, daß wir zur Sache kommen.«
Während sich alle Aufgeforderten an ihre Arbeit machten, fragte das Mädchen: »Willst du ihn einfach hier liegenlassen, Devvy?«
»Warum nicht?« fragte der Anführer zurück.
»Wenn er schnell wieder zu sich kommt, haben wir in Null Komma nichts die Bullen auf den Fersen.«
»Hm…«, brummte der Anführer. »Hör mal, Devvy«, sagte das Mädchen und sah mit glitzernden Augen von dem Neger hoch, dem sie gerade die weiße Wärterjacke ausgezogen hatten. »Warum lenken wir die Bullen nicht ein bißchen ab?«
Ihre Stimme hatte einen kehligen, lauernden Klang.
»Und wie?« fragte der Anführer. »Das sind doch alles Holzwände hier zwischen den Kabinen«, fuhr das Mädchen fort. »Warum stecken wir die Bude nicht an? Wenn es hier unten brennt, haben die Bullen genug zu tun und können sich nicht um uns kümmern.«
»Und der da?« fragte Helldy langsam, indem er auf den Neger zeigte.
Das Mädchen wich seinem Blick nicht aus. Sie ließ ihre kleine rosarote Zunge über die Lippen streichen. Erst nach einigen hörbaren Atemzügen sagte sie kehlig: »Wenn einer verbrennt, kann er nicht aussagen.«
Harris spürte, wie ihm etwas kalt über den Rücken lief. Diese kleine verdammte Hexe, dachte er. Die ist ja gefährlicher als die ganze Bande. Und sie muß einen Tick haben. Einen Feuertick. Es gibt ja solche Leute.
»Nicht
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