Jerry Cotton - 0565 - Ein Teenager soll sterben
ihnen von einer bösen, feindlichen Welt vermasselt worden wären. An einem Spielautomaten vertrieb sich ein junger Mann die Zeit. Die tischähnliche Box machte fürchterlichen Lärm. Phil riß mich am Ärmel. Ich folgte seinem Blick. Der junge Mann am Spielautomat wandte uns den Rücken zu. Er war in sein Spiel vertieft und kommentierte es mit Flüchen und Anfeuerungsrufen.
Es war Hai Artland.
Phil und ich schauten uns enttäuscht an. Es schien fast so, als wollte Artland nur ein bißchen blau machen. Wir stellten uns zu ihm und taten so, als ob uns sein Spiel interessierte. Er warf uns einen kurzen, prüfenden Blick zu und spielte dann weiter.
»Gar nicht so übel, Chum«, meinte Phil anerkennend. Wenn er wollte, konnte er einen fabelhaften Brooklyn-Akzent hinlegen.
Artland grinste unlustig. »Es gehört Routine dazu«, sagte er, »aber die blöde Kiste legt selbst den Geschicktesten aufs Kreuz.« Die Kugel berührte eine Anzahl von elektrischen Kontaktfedern. Am Kopfende rasselte der optische Punktezähler. »Mist!« sagte Artland. Er klopfte ärgerlich mit der flachen Hand auf die Glasscheibe und verlor plötzlich die Lust an dem Spiel. Er ging zurück zur Theke. Wir folgten ihm.
»Bier?« murmelte der Wirt, ohne den Blick zu heben.
»Für mich Whisky«, sagte Artland, »aber schottischen, bitte.«
Der Wirt legte seufzend die Zeitung aus der Hand. Phil und ich bestellten uns ein Bier. Der Wirt bediente uns mit der sauertöpfischen, beleidigten Miene eines Mannes, der sich in seiner Muße gestört fühlt.
»He, einen doppelten!« grunzte Artland, als der Wirt einschenkte.
»Sag das doch gleich«, knurrte der Wirt, goß nach und verkorkte dann die Flasche wieder. »Hast du beim Pferderennen gewonnen?«
Artland griff grinsend nach dem Glas und hielt es gegen das Licht, um sich am Anblick der klaren honigfarbenen Flüssigkeit zu erfreuen. »Meine Pferdchen laufen immer«, spottete er, »und im Augenblick liegen sie ganz vorn. Dort werden sie bleiben, Partner.«
»Angeber«, sagte der Wirt verächtlich und schnappte sich wieder seine Zeitung.
»Wer hat denn heute gewonnen?« wollte Phil wissen.
»Ricky auf Empson«, sagte der Wirt, ohne die Zeitung zu senken.
Ich blickte Artland an. Er nahm einen großen Schluck aus seinem Glas. Es war klar, daß seine Interessen keinem gewöhnlichen Pferderennen galten. Er schaute auf seine Uhr und murmelte einige Worte, die nicht zu verstehen waren. Dann warf er eine Zweidollarnote auf den Tresen. »Stimmt so, Partner«, sagte er. Er nahm einen weiteren Schluck, dann verließ er das Lokal.
Der Wirt griff nach dem Geldschein und hob ihn prüfend hoch.
»Großzügiger Bursche«, spottete Phil.
Der Wirt verzog verächtlich seine Knollennase, sagte aber nichts.
Ich führte das Bierglas zum Mund. In dieser Sekunde fiel draußen ein Schuß. Dann noch einer und noch einer.
Phil und ich wirbelten herum und jagten zur Tür. Noch ehe wir sie erreicht und aufgerissen hätten, hörten wir Autobremsen quietschen.
Im nächsten Augenblick standen wir im Freien. Wir sahen Hai Artland. Er stand mitten auf der Fahrbahn, mit weit aufgerissenen Augen und einknickenden Knien. Seine rechte Hand fuhr mit einer fahrigen, kraftlosen Geste bis zur Höhe seines Herzens, dann fiel sie wieder hinab. Dort, wo sie hinzufassen versucht hatte, befanden sich zwei Einschußstellen. Sie wurden rasch von dem hervorquellenden Blut überdeckt.
Artland brach zusammen. Als wir ihn erreicht hatten und uns über ihn beugten, war er bereits tot.
***
Es war schwierig, in der über uns hereinbrechenden Flutwelle von Neugierde und Aufregung die richtigen Informationen zu bekommen. Während Phil zu dem Chevy eilte, um die Mordr kommission anzurufen, sammelte ich die Aussagen einiger Tatzeugen.
Artland war aus einem vorüberfahrenden Wagen erschossen worden, soviel schien festzustehen. Alle weiteren Aussagen waren sehr widersprüchlich. Die einen meinten, die Schüsse seien aus einem dunkelblauen Ford gefallen, während andere einen roten Pontiac gesehen haben wollten und eine dritte Gruppe von einem flaschengrünen Dodge sprach. Niemand hätte sich die Wagennummer gemerkt, da, wie sich herausstellte, die meisten Tatzeugen beim Geräusch der scharfen Schüsse sofort in Deckung gegangen waren.
Übereinstimmung herrschte zumindest über die Besatzung des Gangsterwagens. Allgemein wurde von zwei Männern gesprochen. Die einen meinten freilich, es seien junge Männer gewesen, während die anderen erklärten,
Weitere Kostenlose Bücher