Jerry Cotton - 0568 - Die unheimliche Witwe
und schroff. »Ich habe es nicht nötig, mir Ihre Unverschämtheiten anzuhören.«
Er kam um den Schreibtisch herum. Ich erhob mich langsam. Ferguson baute sich so dicht vor mir auf, daß mich sein scharfer Atem traf.
»Ich warne Sie, Cotton«, stieß er hervor. »Es gibt ein paar Dinge, die man mit Ferguson nicht machen kann…«
»Und es gibt ein paar Dinge, die sich weder das Recht noch der Gesetzgeber gefallen lassen«, sagte ich. »Das werden Sie sehr rasch am eigenen Leibe zu spüren bekommen.«
»Soll ich jetzt zu zittern anfangen?« höhnte er. »Sie klopfen doch nur auf den Busch, Cotton! Wenn Sie mir wirklich einen überbraten könnten, wären Sie todsicher mit einem Haftbefehl hereingestürmt.«
»Der liegt schon für Sie bereit«, erklärte ich kalt. Das war nicht ganz richtig. Ich hatte gegen Ferguson nichts weiter in den Händen als Murrays unprotokollierte Aussage. Trotzdem hielt ich es für eine gute Taktik, schon jetzt aus allen Rohren auf Ferguson zu schießen.
Es war notwendig, ihn und Finnegan nervös zu machen. Nervöse Leute neigen zur Kopflosigkeit und zu Kurzschlußhandlungen — und solche Reaktionen konnten unserer Arbeit nur nützlich sein.
»Ich bringe Sie zu Chubby«, sagte Ferguson plötzlich. »Er wird Ihnen bestätigen, daß mein Alibi okay ist. Chubby war schon immer ein miserabler Lügner. Sie würden ihn sofort durchschauen, wenn er Sie anzuschwindeln versuchte.«
Mit dem Lift fuhren wir in die vierte Etage des Gebäudes. Es war von dem dumpfen, dröhnenden Rollen der Rotationsmaschinen erfüllt.
»Das ist doch das Lager«, sagte ich, als ich die schier endlosen Stapel dicker Papierrollen vor mir sah.
»Vom hinteren Ende des Raumes führt eine Treppe zum Dachgeschoß hoch«, sagte er. »Ich wohne da oben.«
Ich witterte eine Falle und blieb auf der Hut.
Tatsächlich befand sich am hinteren Ende eine solide Stahltür mit der Aufschrift »Privat«.
»Müssen alle Ihre Besucher den Weg durchs Lager nehmen?« fragte ich erstaunt.
»Alle«, sagte Ferguson kopfnickend. »Es ist das einzige Handikap meiner luftigen Bleibe.« Er öffnete die Tür und griff nach dem Lichtschalter. »Gehen Sie nur voran, bitte.«
Ich blickte eine schmale, ziemlich steile Treppe hoch. An ihrem oberen Ende befand sich eine weitere Stahltür. Gerade als ich sagen wollte: Bitte, nach Ihnen!, gab mir Ferguson einen heftigen Stoß in den Rücken.
Ich zuckte herum, aber meine Reaktion kam zu spät. Die Stahltür knallte mir ins Gesicht. Ich versuchte, die Tür wieder aufzustoßen, entdeckte jedoch, daß sie auf der Innenseite weder eine Klinke noch einen Drehknopf hatte.
Ein Geräusch ließ mich herumfahren — ein metallischer, häßlicher Quietschton. Die Tür am oberen Treppenende wurde von einer elektrischen Mechanik wie ein Gitter hochgehoben. Dahinter wurden übereinanderliegende Papierrollen sichtbar — tonnenschwere Ungeheuer, jede einzelne so dick wie eine Litfaßsäule. Die Rollen waren so breit wie der Treppenaufgang. Noch ehe sie sich in Bewegung setzten, wußte ich, was mich erwartete. Nicht einmal Herkules wäre dazu imstande gewesen, die ins Rollen geratenen Ungetüme aufzuhalten. Wenn sie die Treppe herunterrollten, mußten sie zwangsläufig alles und jedes zermalmen, das ihnen im Weg war, möglicherweise sogar die hinter mir liegende Stahltür.
Aber ich war noch vor der Stahltür, und ehe ich sie würde aufbrechen können, würde ich aussehen wie jemand, der unter eine Dampfwalze geraten war.
Mir brach der Schweiß aus. Jetzt war die Tür oben offen. Die Papierrollen gerieten in Bewegung. Sie kamen die Treppe herunter wie Panzer.
Ich konnte weder vor noch zurück. Mir blieben nur Bruchteile von Sekunden, um den schweren Papierrollen zu entgehen. Ich warf mich flach auf den Boden und preßte mich dicht gegen die unterste Stufe. Sie war etwas über einen Fuß hoch und hatte an der Oberkante eine Stahlschiene. Immerhin war dadurch ein kleiner toter Winkel entstanden.
Im nächsten Augenblick war die erste Rolle über mir. Sie krachte mit ohrenbetäubendem Lärm gegen die Stahltür und blieb liegen. Ich konnte mich nicht bewegen. Hilf- und wehrlos blieb ich zwischen der Rollenrundung und dem Stufenwinkel eingeklemmt.
Die zweite Rolle donnerte Sekunden später herab, dann eine dritte und vierte. Ich schloß die Augen und machte mich so schmal, wie es nur ging. Danach war Stille.
Ich wußte, daß es zwecklos war zu schreien. Niemand würde mich hören. Im übrigen sollte Ferguson,
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