Jerry Cotton - 0568 - Die unheimliche Witwe
Front bestand nur aus Glas und gestattete einen Einblick in die großen Räume. Die Einrichtung hielt mit dem Format des Hauses Schritt; sie war in kräftigen, gut aufeinander abgestimmten Farben gehalten und verriet die kundige Hand eines Innenarchitekten.
Das Licht, das aus dem Haus mit den offenen Terrassentüren fiel, spiegelte sich im Wasser eines Swimming-pools, neben dem ein Sprungturm hochragte.
Ich blieb hinter einem Busch, um abzuwarten, was geschehen würde. Die Musik spielte noch immer.
Plötzlich öffnete sich im Haus eine Tür. Zwei Menschen durchquerten das große Wohnzimmer und traten auf die Terrasse. Es waren Vicky und Finnegan. War auch dessen Gorilla in der Nähe? Mit Sicherheit! Lord John war nicht der Mann, der sich wegen eines Girls oder eines Schäferstündchens von seinem Leibwächter trennte.
Vicky und Finnegan trugen dicke, bauschige Bademäntel. Offenbar hatten sie die Absicht, sich in dem Swimmingpool zu erfrischen.
Vicky und Finnegan! Sie schienen sich prächtig zu verstehen. Ich hörte nur ein paar Brocken von dem, was sie sagten. Vicky amüsierte sich augenscheinlich großartig. Sie lachte.
Die trauernde Witwe! Ich würgte den Ekel hinunter, der mich überkam.
Auf der Terrasse stand ein runder weißlackierter Tisch mit einem Windlicht. Finnegan schob ein paar verschnörkelte Stühle zurecht und wartete, bis Vicky sich gesetzt hatte. Endlich tauchte auch der Gorilla auf. Er kam mit einem Sektkübel und zwei Gläsern aus dem Haus. Finnegan übernahm das Entkorken der Flasche und füllte die Gläser. Der Gorilla zog sich wieder zurück.
Ich pirschte mich näher heran, um zu hören, was gesprochen wurde. Ein paar Rhododendronbüsche, die sich bis an den Rand des Swimming-pools hinzogen, boten mir den notwendigen Schutz.
Die beiden prosteten sich zu.
»Sind Sie eine gute Schwimmerin, Vicky?« fragte Finnegan die junge Frau.
»Ja. Ich glaubte, ich bin in allem gut.«
Finnegan lachte spöttisch. »Als Ehefrau haben Sie versagt, meine Liebe.«
»Das war nicht meine Schuld«, schnappte Vicky.
Finnegan lachte abermals. »Schon gut, ich glaube es ja, daß Sie Klasse sind. Sie sehen jedenfalls so aus. Sind Sie sicher, daß Sie sich unbemerkt von zu Hause entfernen konnten?«
»Völlig sicher. Es ist nicht schwer, den Bullen ein Schnippchen zu schlagen. Schließlich war ich mit einem verheiratet. Da lernt man eine Menge.«
Vicky sprach von Bullen! Ich konnte es nicht fassen. War das die Witwe eines jungen, fähigen Kriminalbeamten, der ermordet worden war?
»Unterschätzen Sie diese Leute nicht«, meinte Finnegan warnend. »Die sind clever —■ auch wenn sie zuweilen so auftreten, als sei das Gegenteil der Fall. Es gefällt mir nicht, daß Cotton hinter Ihnen und mir her schnüffelt.«
»Zum Teufel mit ihm!« sagte Vicky und streckte beide Hände zum Himmel. Sie lehnte sich dabei etwas zurück. Das Windlicht beleuchtete die schimmernde Haut ihrer glatten Arme. »Ich liebe Sekt«, fuhr sie fort. »Ich liebe das prickelnde, herrliche Leben!«
»Warum sind Sie dann so prüde?« fragte Finnegan plötzlich aggressiv.
Vicky ließ ihre Arme fallen. »Prüde?« fragte sie verständnislos.
»Gestern waren Sie die halbe Nacht bei mir, aber ich durfte Sie nicht mal anrühren.«
Vicky lachte hell und spötisch. »Hatten Sie das im Ernst erwartet?«
»Mich läßt keine lange zappeln.«
»Kein Wunder, die Girls haben Angst vor Ihnen.«
»Sie etwa nicht?« fragte er.
»Nein.«
»Und warum nicht?«
»Weil ich weiß, daß meine Haltung Ihnen imponiert. Weil ich nicht möchte, daß Sie mich auf eine Stufe mit Ihren Fünfzig-Dollar-Flittchen stellen.«
Finnegan lachte. »Ja, Sie wissen verdammt genau, was Sie wollen. Sie verstehen es, den Preis hochzutreiben.«
Ich konnte mir nicht helfen, aber mir schien es so, als klänge seine Stimme drohend und als sei sein Lachen nur Teil einer von ihm inszenierten Komödie.
Vicky erhob sich plötzlich. Sie nahm einen weiteren Schluck aus dem Champagnerglas, dann warf sie den Bademantel ab. Sie hatte nichts darunter an. Ich sah, wie sich Finnegans Muskeln spannten. Er wirkte wie ein Mann vor dem Aufspringen, aber er blieb sitzen.
Vicky ging auf den Rand des Schwimmbeckens zu. Sie bewegte sich mit der Unbefangenheit eines Kindes, aber wenn man genau hinsah, spürte man deutlich, daß jeder Schritt und selbst die kleinste Bewegung des schlanken, makellos gewachsenen Körpers berechnet waren. Sie war schön, und sie wußte es. Der Sprung, mit dem
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