Jerry Cotton - 0576 - Der Tod im Handgepaeck
Noch einmal: Kommst du mit?«
Sie löste langsam ihre Hände von den Lehnen.
»Du glaubst, daß du noch über die Grenzen kommst? Ein Schiff erreichst oder ein Flugzeug, wenn sie schon so hinter dir her sind?«
»Ja. Sie wissen nicht, wo ich bin. Ich habe den Wagen gewechselt, man hat mich nicht erkannt. Aber wenn du nicht mit mir gehen willst — kann ich wenigstens diese Nacht hierbleiben? Große Lust scheinst du nicht zu haben.«
Melina Frederic stand auf und zwang sich, ein paar Schritte durch das kleine Zimmer zu tun. »Wanja«, begann sie, aber er wischte wieder mit der Hand durch die Luft.
»Nein, Wanja, hör mich an! Ich weiß, wie sehr du an unserer Heimat hängst und wie du die ganzen Jahre daran gedacht hast, die Heimkehr zu erzwingen. Ich — ich habe hier ein neues Leben gefunden, Wanja. Ich habe meine Wäscherei aufgebaut, ich habe mich den Leuten hier angepaßt, und ich habe sogar unseren Namen ins Englische übersetzt. Aus Bedrich ist Frederic geworden. Vielleicht findest du das schäbig.« Bedrich nickte.
»Aber…« und sie errötete ein bißchen, was sie eigentlich schön machte, »… ich habe jemanden kennengelernt, der mir ein guter Freund geworden ist. Wir werden im Herbst heiraten, Wanja. Ich hoffe, du verstehst mich!«
Bedrich sah auf. »Ein… Amerikaner?«
»Nein. Ein Emigrant, wie wir.«
Sie stand an der Tür und regte sich nicht. Bedrich knetete seine Hände, dann blickte er ihr voll ins Gesicht.
»Gut. Du kannst tun, was du willst. Ich hindere dich nicht, Melina. Jeder muß sehen, wie er in dieser Welt glücklich wird. Aber vergiß diese Nacht nicht, daß ich dein Bruder bin und daß ich dich um deine Hilfe gebeten habe.« Sie kam auf ihn zu und nahm ihn in ihre Arme.
»Wanja«, sagte sie. »Ich wünschte, es wäre wie früher. Du hättest nicht diese schreckliche Erfindung gemacht, wir könnten hier so glücklich sein!«
Er schüttelte nur stumm den Kopf. »Ich mache dir dein Bett auf der Couch«, sagte sie ohne jeden Übergang.
***
Phil kam mit dem Gehaben einer marschbereiten Panzerdivision in mein Zimmer. Ich fuhr hoch, hatte meinen Smith and Wesson in der Hand und sah auf die Uhr. Es war halb zwei nachts. »Jerry!« sagte er vorsichtshalber. »Dein Glück!« antwortete ich. »Etwas später, und der Wind pfiffe durch all die Löcher, die ich dir beigebracht hätte. Was, zum Teufel, ist los, daß du mich aus meinen schönsten Träumen holst?« Er kam heran und ließ sich auf meinem Bettrand nieder.
»Ich habe die ganze Zeit nicht schlafen können«, sagte er.
»Bin ich eine Apotheke?« fragte ich wütend zurück und legte die Waffe wieder unter mein Kopfkissen.
»Siehst nicht so aus, Alter. Aber erinnerst du dich, wie wir heute nachmittag über diesem albernen Tal hin und her flogen?«
Ich nickte.
»Da hatte ich doch auf einmal den Einfall mit der Einwanderungsbehörde.«
»Möglich. Du hast manchmal die tollsten Einfälle, wenn man dir nicht genug zu tun gibt.«
»Ja«, sagte er geduldig. »Hatte ich, aber jetzt wird mir erst klar, warum ich bei denen anrufen wollte.«
»Wahrscheinlich wegen des Wetterberichts?«
Phil schüttelte den Kopf.
»Hör auf mit den dummen Witzen. Bedrich ist doch damals hier eingewandert und registriert worden. Glaubst du, daß er ganz mutterseelenallein in unser schönes und großes Land hineinmarschiert ist?«
»Warum nicht?«
»Ich rechne dir ja schon an, daß ich dich aus dem Schlaf geweckt habe«, sagte er milde. »Aber nun stell dir doch mal die Situation vor: auf dem Schiff sind lauter Leidensgenossen. Sie sprechen miteinander über ihre Schicksale. Sie freunden sich möglicherweise sogar an. Sie bleiben hernach in Verbindung miteinander — und wenn Bedrich jetzt in die Enge getrieben wird, wo wird er Schutz suchen?«
»Bei einem seiner damaligen Freunde. Oder…«
»Was oder?«
Ich stützte mich in meinen Kissen auf. »Hast du schon einmal daran gedacht, daß er gar nicht so mutterseelenallein hergekommen sein könnte? Daß er Verwandte in den Staaten hat, die sich von ihm getrennt haben und trotzdem noch eine seiner Zufluchten darstellen können?«
Phils Augen wurden groß.
»Mensch, Jerry — jetzt weiß ich erst, was für ein großartiger Gedanke mir heute nachmittag gekommen ist. Wir müssen sofort die Einwanderungsbehörde anrufen und die Akten von 1953 nachprüfen lassen. Nur so kommen wir auf seine Spur!«
»Ideen hast du!« lobte ich Phil. Dann griff ich zum Telefon und ließ mich mit unserem New Yorker Büro
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