Jerry Cotton - 0577 - Staatsempfang fuer einen Moerder
das die gesamte Längswand bedeckte und auch die beiden Stereolautsprecher enthielt. Wyler setzte sich mir gegenüber in einen ledernen Ohrensessel. Zwischen uns war nur ein niedriger Klubtisch mit Kristallplatte. Wyler saß genau im Schnittpunkt der beiden Lautsprecher, um den vollen Stereoeffekt genießen zu können.
»Sie wollten mich sprechen?« fragte ich ihn.
»Ja — ich bin bedroht worden«, nickte er. Seine Hände glitten unruhig über die Sessellehnen. »Man hat mir erklärt, daß ich sterben müßte.«
»Wann war das?«
»Kurz, nachdem Sie mich verlassen hatten. Ein Mann rief mich an. Er verstellte seine Stimme — aber ich glaube trotzdem, daß ich ihn erkannt habe.«
Ich beugte mich nach vorn. »Wer war es?«
Wyler biß sich auf die Unterlippe. »Ich kann es Ihnen noch nicht sagen«, meinte er ausweichend. »Es ist einfach zu ungeheuerlich. Es will nicht in meinen Kopf hinein. Ehe ich den Mann diesem Verdacht aussetze, muß ich mir selbst Gewißheit verschaffen.«
»Warum haben Sie mich dann holen lassen?«
Sein Mund zuckte. »Ich weiß es nicht. Vielleicht liegt es daran, daß ich Angst habe. Deshalb bin ich sofort nach Hause gefahren. Deshalb höre ich Musik. Ich muß freilich zugeben, daß sie mir diesmal keine nennenswerte Erleichterung verschafft.«
»Wie alt war der Anrufer?«
»Nur wenig älter als ich«, sagte Wyler widerstrebend.
»War es möglicherweise der Gangster, dem Sie statt des Testamentes die Inventaraufstellung mitgaben?«
»Nein«, erwiderte Wyler kopfschüttelnd. »Von dem habe ich noch nichts wieder gehört. Ich möchte verreisen, Sir.«
»Was versprechen Sie sich davon?«
»Ruhe. Eine vorübergehende Erleichterung und Sicherheit natürlich. Ich weiß, daß das eine Flucht ist. Vielleicht mache ich einen Fehler. Es gibt Schwierigkeiten, denen man nicht davonlaufen kann. Aber meine Nerven sind den augenblicklichen Bedrohungen einfach nicht gewachsen. Ich werde meinen Koffer packen und wegfahren — mit unbekanntem Ziel.«
»Was wird aus Ihren beruflichen Verpflichtungen?« wollte ich wissen.
»Mein Bruder ist ja noch da«, sagte Wyler. »Ich habe ihn von meinem Entschluß in Kenntnis gesetzt. Er ist natürlich nicht gerade begeistert über meine Absichten. Schließlich bleibt jetzt die Arbeit an ihm hängen. Außerdem sind seine juristischen Kenntnisse bestenfalls zweitrangig. Fred obliegt im wesentlichen die kaufmännische und administrative Leitung der Praxis.«
»Was geschieht, wenn plötzlich Miß Lavóla auftauchen sollte — tot oder lebendig?«
»Wegen des in der Bank deponierten Testamentes brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, meinte Wyler. »Mein Bruder wird es dem Erbberechtigten aushändigen.«
»Womit drohte Ihnen der Anrufer?« Wyler legte den Kopf zurück und schien der Musik zu lauschen. Er lächelte matt und schloß dabei die Augen. Seine Mundwinkel bildeten kleine dunkle Kerben der Bitterkeit.
Ich war nicht hergekommen, um Zeuge von Wylers Resignation und Furcht zu werden. Ich brauchte konkrete Hinweise, um die Ermittlungen voranzutreiben.
»Was sagte der Anrufer?« drängte ich. »Er kann Ihnen doch nicht einfach den Tod angedroht haben!«
Wyler hob die Lider. Es war, als erwache er aus einem Traum. Er bewegte seinen Kopf nicht. Ich spürte, daß die Musik ihn beeinflußte, daß sie ihn aufwühlte und plötzlich auf irgendeine Weise geständnisbereit machte. Er war drauf und dran, mir zu sagen, wen er verdächtigte.
Ich beugte mich vor und sah ihn erwartungsvoll an. Noch ehe Wyler den Mund öffnen konnte, fielen die Schüsse.
Sie zerfetzten die Stille mit einem Krachen, das meine Trommelfelle zu sprengen drohte. Es war, als würde unmittelbar über oder neben mir ein Gewehr abgefeuert.
Ein paar Bücher fielen aus dem Regal. Eines davon traf mich am Kopf. Der scharfe Geruch von Kordit durchdrang den Raum. Ich sprang auf.
Wir waren allein im Raum.
Nur Arnold Wyler und ich. Aber als ich den Anwalt betrachtete, wurde mir klar, daß in diesem Augenblick noch ein Dritter das Zimmer betreten hatte.
Dieser Dritte war der Tod.
***
Wyler rutschte in seinem Sessel zusammen. Seine Augen waren groß und rund geworden, eher erstaunt als erschreckt, fassungslos von einem Phänomen, das auch ich noch nicht erfaßt hatte. Was war geschehen, und wer hatte geschossen?
Mit ein paar Schritten war ich bei Wyler. Seine Hände unternahmen einen Versuch, sich in der Höhe seines Herzens in den dunklen Anzug zu verkrampfen, aber dann fielen sie kraftlos
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