Jerry Cotton - 0580 - Toedliche Wetten
Aber es gab für ihn kaum einen Grund, von seinen Gewohnheiten abzugehen. Daß er mit dem Mord an Alice Farell auch nur das geringste zu tun hatte, konnten wir ihm nicht nachweisen. Er hatte vielleicht den gelben Mercury gefahren, der Billy Miller gehörte, aber selbst das wußten wir nicht mit Sicherheit. Der Haftbefehl gegen ihn, den sich Clifford besorgt hatte, lautete denn auch nur auf vorsätzliche Körperverletzung. Immerhin hatte ich natürlich gegen die beiden Anzeige erstattet.
Ich war beim dritten Kaffee angekommen, als Clifford hüstelte. Er saß an einem Fenster, von wo aus er die Straße vor'dem Drugstore überblicken konnte. Ich sah mich wie zufällig um.
Und da kam er. Er griente dem Mann hinter der Theke zu, und der empfing ihn mit der vertrauten Begrüßung: »Hallo, Charly!«
Dann entdeckte er mich. Sein Grinsen wurde noch breiter.
»Kennen wir uns nicht?« fragte er, als er neben mir stand und den linken Ellenbogen auf die Theke stützte.
Ich sah ihn stumm an. Er verlagerte sein Körpergewicht. Ich merkte, was er vorhatte und bereitete mich selbst darauf vor. Sein Ellenbogen rutschte vor und stieß den Kaffeebecher um. Ich zog schnell die Beine weg. Der Kaffee tröpfelte auf den Boden.
»Du bist mir aber einer«, grunzte er tadelnd. »Kannst du denn nicht aufpassen? Frühstücke im Kindergarten, wenn du dich noch nicht benehmen kannst.«
Ich sah ihn stumm an. Er ärgerte sich, weil ich auf seine Provokation nicht einging. Obgleich er keinen Tropfen abbekommen hatte, behauptete er plötzlich: »Du hast mir den Anzug verdorben, du Drecksack!«.
Ich sah ihn stumm an.
»Entschuldige dich!« bellte er und lief rot an.
Ich sah ihn weiter stumm an.
Er verlor die Geduld und holte aus. Ich zog den Kopf erst im allerletzten Augenblick zur Seite. Seine Faust zischte haarscharf an mir vorbei. Er konnte den eigenen Schwung nicht früh genug bremsen. Krachend schlug seine Faust gegen den chromblitzenden Thekenaufbau, aus dem sie die Limonaden abzapften.
Er stieß einen Laut des Schmerzes aus. Ich zeigte auf die Limonadenzapfsäule: »Mit der Faust kriegt man die nicht weg«, sagte ich gelassen. »Man muß das richtige Werkzeug nehmen.«
»Du verdammter Hundesohn!« röhrte er.
Ich war von meinem Hocker geglitten. Aus den Augenwinkeln sah ich Clifford und die beiden anderen Kollegen sprungbereit sitzen. Sie warteten auf Cliffords Zeichen.
Mein spezieller Freund rieb sich die Fäuste, ließ sie sinken, starrte mich wütend an und riß plötzlich das Knie hoch und vor. Ich sprang zur Seite. Seine Kniescheibe krachte an die Unterkante des Hockers. Er brüllte.
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ihr Kerle seid auch nicht das, was ihr mal wart.«
Keuchend wirbelte er seine Arme hoch. Ich tänzelte von ihm weg, bis ich eine solide Betonwand in meinem Rücken hatte. Er täuschte mit der Linken, ich fiel nicht darauf herein, und er setzte die Rechte nach.
Wo mein Kinn war, empfing ihn eine unnachgiebige Betonwand. Tränen des Schmerzes schossen ihm in die Augen. Ich schüttelte den Kopf und sagte: »Schlagen allein nutzt nichts. Man muß auch treffen!«
Die Knöchel seiner Rechten waren auf geschlagen. Er japste nach Luft. Aber seine Augen waren blutunterlaufen vor Wut. Er verlor den Verstand endgültig. Als er nach mir trat, stand ein Stahlrohrstuhl an der Stelle, wo er eben noch mein Schienbein gesehen hatte. Seine Zehen hatten etwas gegen eine solche ungestüme Bekanntschaft mit verchromtem Stahl. Er gurgelte schmerzlich und röchelte.
»Na, so schwer kann es doch nicht sein, einen erwachsenen Mann einmal zu treffen«, meinte ich.
Da holte der Schwachkopf noch einmal mit aller Macht aus.
Es krachte so trocken, daß ich selbst schmerzlich berührt zusammenzuckte. Er stieß einen gellenden Schrei aus. Die linke Hand würde er nach diesem Schlag auf eine Betonmauer für die nächsten Wochen nicht mehr gebrauchen können.
»Hören Sie auf«, sagte Cliffords Stimme schneidend neben mir. »Sie dreschen sich ja selber krankenhausreif, Mann.«
Bevor der Bursche wußte, was ihm geschah, hatte er plötzlich Handschellen an seinen anschwellenden Armgelenken. Von beiden Händen lief ihm das Blut. Er konnte sich vor Schmerzen kaum noch aufrecht halten. Clifford ließ sich eine Schmerztablette geben, während einer der Kollegen den bei einer Verhaftung vorgeschriebenen Spruch aufsagte.
Jetzt dämmerte ihm endlich, daß er in eine Falle hineingestolpert war wie ein vor Hunger dumm gewordener Wolf. Er fluchte
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