Jerry Cotton - 0580 - Toedliche Wetten

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unter die Dusche wollte, spürte ich die Schmerzen von den Schlägereien am vergangenen Tag erst richtig. Mein Körper hatte eine fatale Ähnlichkeit mit einer Landkarte. Es gab eine Menge gelblich-brauner Gebiete darauf. Phil machte sich auf ins Ministerium, nachdem er mir zugeredet hatte, ich sollte doch vorsichtshalber einen Arzt aufsuchen. Ich verzichtete trotzdem darauf, weil ich sicher war, daß ich mir keine ernsthaften Verletzungen eingehandelt hatte. Meine Laune besserte sich schlagartig, als Clifford mit seiner Neuigkeit bei mir aufkreuzte.
    »Hallo«, brummte er, ebensowenig ausgeschlafen wie ich.
    »Tag«, erwiderte ich. »Und ich Trottel bin nach Washington in der Annahme gekommen, daß man hier in diesem Provinznest wenigstens ausreichend Zeit zum Schlafen bekäme.«
    »Ihr New Yorker mit eurer ewigen Überheblichkeit«, sagte Clifford und ließ sich ächzend in einen Sessel fallen. »Wie fühlen Sie sich heute eigentlich, Hopkins?«
    »Als ob ich sämtliche Rüttel- und Schütteltests für Astronauten am gestrigen Tage durchgemacht hätte.«
    »Möchten Sie den Burschen nicht einmal Wiedersehen, der Sie zusammen mit Billy Miller so zugerichtet hat?«
    »Möchten? Ich verspüre eine brennende Sehnsucht, Clifford.«
    »Da kann ich Ihnen vielleicht helfen.« Es war Musik in meinen Ohren. Ich drückte ein kleines Pflaster an einer Platzwunde am Hals fest, damit der Hemdkragen nicht scheuerte. Dann sah ich meinen Besucher aufmerksam an.
    »Lassen Sie mal die Katze aus dem Sack, verehrter Herr Kollege.«
    »Nun, das war Routine. Wir haben Ihre Beschreibung an die Stadtpolizei weitergegeben und auf die Verbindung mit Billy Miller hingewiesen. Ein Cop von irgendeinem Revier erinnerte sich, daß er die beiden fast täglich gegen elf in einem bestimmten Drugstore gesehen hatte.«
    »Dem Cop einen Orden«, sagte ich. »Wo liegt der Drugstore?«
    »Da, wo jetzt bereits zwei G-men herumsitzen und warten«, meinte Clifford lächelnd. »Wenn der Kerl kommt, schnappen sie ihn.«
    Ich blies die Luft durch die Nase aus. »Warten Sie es doch ab«, führ Clifford fort. »Natürlich konnte ich mir denken, daß Sie dem Burschen gern selbst gegenübertreten würden. Nach den Informationen des Cops kamen die beiden nie früher als kurz vor elf. Langschläfer vermutlich, wie so viele Gangster. Wir werden also ab halb elf ebenfalls in dem Drugstore sitzen. Zufrieden?«
    »Wenn Sie noch Junggeselle sein sollten, Clifford, dann verstehe ich nicht, wieso die Mädchen Ihren wertvollen Charakter noch nicht entdeckt haben. Sie sollten ebenfalls einen Orden kriegen.«
    »Ich habe vier, und die genügen mir. Aber hören Sie zu, alter Freund. In Ihrer Personalakte, die ja ansonsten in höchsten Lobestönen nur so schwelgt, steht auch, daß Sie manchmal ein bißchen temperamentvoll werden.«
    »Na, wer ist denn auf den Gedanken gekommen?«
    »Mir können Sie nichts vormachen, Kollege. Sie gehören zu der Sorte, die mit dem Herzen dabei sind. Lassen Sie nachher Ihr Gefühl bloß nicht allzu weit durchgehen, eh?«
    »Clifford«, sagte ich mit einem scheinheiligen Augenaufschlag. »Ich werde den Jungen nicht anfassen, wenn er es nicht bei mir versucht. Aber wenn er mich wieder angreift, dann zeige ich ihm ein paar Lektionen aus unseren Trainingskursen.«
    »Da müßten wir natürlich eingreifen. Aber ich kann selbstverständlich erst dann eingreifen, wenn ich mir einen Überblick verschafft habe, was man am besten tut.«
    »Sehr wahr«, stimmte ich zu und begann, einen Schlager zu pfeifen.
    Die Stunde, die uns blieb, bis wir den Drugstore aufsuchten, überbrückten wir damit, daß wir noch einmal alle Aspekte dieses undurchsichtigen Falles durchsprachen. Wir kamen wieder zu demselben Ergebnis. Daß Regierungsbeamte bei illegalen Buchmachern wetteten, war sicherlich ein Verstoß gegen das Benehmen, das man von Regierungsbeamten erwarten muß. Aber allein im Wettgeschäft schien uns kein Motiv für mehrere Morde zu liegen. Da mußten gewichtigere Gründe vorhanden sein als nur Wetten, die ja doch auf verhältnismäßig kleine Summen lauteten.
    Als es soweit war, fuhren wir los. Der Drugstore lag nicht weit von der Gegend entfernt, wo Billy Miller sein Zimmer gehabt hatte. Clifford ging als erster hinein, ich folgte ein paar Minuten später und tat, als hätte ich ihn nie gesehen. An der langen Theke zog ich mir einen Hocker zurecht und bestellte einen Kaffee. Natürlich konnten wir nicht wissen, ob der Gangster wirklich aufkreuzen würde.