Jerry Cotton - 0589 - Ein Toter stellt die Falle
auf dem Bettrand. Dann stand ich auf. Ich holte den Koffer aus dem Schrank, klappte ihn auf, packte Hemden und Wäsche ins Wäschefach, stellte meine Toilettenutensilien auf das Brett über dem Waschbecken und nahm meinen 38er Special aus dem Reisenecessaire. Der kurzläufige Revolver würde nicht auffallen, wenn ich ihn mir in den Gürtel schob.
Anschließend rief ich Phil an und sagte ihm, wo ich mich mit Geo Ash treffen wolle.
Gegen halb sieben verließ ich mein Zimmer. Auf dem Weg durch den düsteren Flur hörte ich eine Frauenstimme. Sie drang aus Nr. 4, dem Zimmer, das meinem schräg gegenüberlag. Ein angstvolles Zittern schwang in der Stimme mit.
»Nein! Lassen Sie mich in Ruhe! Ich schreie…«
Die Stimme brach ab. Ich hörte Stöhnen und ein kratzendes Geräusch, als werde jemand über den Boden geschleift. Ich stieß die Tür auf und trat über die Schwelle. Ich sah einen Mann, der etwas kleiner war als ich, die hinterhältige Visage gerötet vom Sonnenbrand. Verblüfft ließ er das Mädchen los, dem er mit hartem Griff den Mund verschlossen hatte. Sie fiel auf den Teppich, schnappte nach Luft, rutschte von ihm weg und kam taumelnd auf die Füße. Ich schätzte sie auf höchstens 20. Sie hatte schwarzes schulterlanges Haar und graue Augen unter langen Wimpern.
»Gehören Sie zu ihm?« fragte ich. »Mir war’s, als hätte ich so was wie einen Hilfeschrei gehört.«
»Er — er hat mich belästigt«, flüsterte sie.
Der Kerl, gebaut wie ein Catcher, rollte wie eine Lawine auf mich zu.
»’raus, Buddy! Das ist mein Zimmer. Was hier passiert, ist meine Angelegenheit. Scher dich zum Teufel!«
»Wie kommen Sie zu diesem Schweinehund?« fragte ich das Mädchen.
Es wollte antworten. Aber jetzt war der Bursche vor mir. Gerade noch rechtzeitig drehte ich mich zur Seite, so daß sein Knie nur meine Hüfte traf. Dann setzte ich ihm die geballte Rechte auf den brutalen Mund, und er flog quer durchs Zimmer. Das Bett hielt ihn auf. Er stürzte rücklings in die Kissen, und von den aufgeplatzten Lippen sickerte Blut.
»Wer ist das?« Ich sah das Mädchen an.
Ihr Blick, starr vpr Entsetzen, kehrte nur langsam zu mir zurück.
»Mr. Rogers — Mr. Ed Rogers. Er wohnt schon lange bei uns. Aber das wie eben hat er noch nie bei mir versucht. Ich habe ihm Bier aufs Zimmer gebracht. Und da…« Sie stockte. Ihr Gesicht färbte sich rot. Sie schämte sich. Durch ihre Wimpern sickerten Tränen.
Ich sah den Kerl an. Unter meinem Blick kroch er in sich zusammen. Dann nahm ich das Girl am Arm und führte es hinaus. Als ich die Tür hinter uns schloß, sagte ich: »Sie gehören zum Hotel?«
»Ich bin Evelyn Cooper.«
Wir stiegen die Treppe hinab.
»Sollte es noch mal Ärger geben«, sagte ich, »können Sie mich jederzeit zu Hilfe holen. Ich habe Zimmer 1 im dritten Stock.«
Dankbar lächelte sie mich an. Ich nickte ihr zu und trat auf die Straße.
Die Knöchel meiner rechten Hand brannten. Ich massierte sie. Als ein Taxi vorbeikam, winkte ich es heran und ließ mich in die 34. Straße fahren. Einen Block vor Harrys Bar kletterte ich ins Freie. Ich hatte noch 20 Minuten Zeit. Aber es konnte nichts schaden, wenn ich vorher da war. Ich schlenderte an der Häuserfront entlang, sah mir die Auslagen der Geschäfte an, blieb vor einer Tierhandlung stehen und beobachtete ein Dutzend Goldhamster, die wie besessen und mit offensichtlich großem Spaß in ihrer Tretmühle ackerten.
Ich beäugte die Wagen auf dem Parkstreifen. Ash’ Imperial war nicht dabei.
Harrys Bar lag in der Mitte des Blocks. Früher war hier ein Geschäft gewesen. Jetzt hatte man die Schaufenster mit schwarzer Farbe bepinselt. Ein mit weiß-roten Markisen überdachter Laufsteg führte bis zur Straße, etwas, das sonst nur bei Hotels der gehobenen Klasse üblich ist.
So schäbig und abgerissen, wie ich wirkte, war ich sicherlich kein willkommener Gast. Trotzdem enterte ich den Laden. Es gab kein Foyer. Ich spazierte gleich in die Bar, einen großen Raum, der sich weit in das Haus hineinschob, weil man mehrere Wände herausgebrochen und mindestens drei Räume vereint hatte.
Es herrschte ein zwielichtiges Halbdunkel. Die Bar war lang wie eine Kegelbahn.
Ich kletterte auf einen Hocker und stützte die Ellbogen auf die Theke. Ich nahm meinen Hut ab, legte ihn auf den Sitz neben mir und sah mich um. Ein paar Lampen, tief über der Bar hängend, brannten. Zwei Männer saßen am anderen Ende. Sie hatten die Hüte ins Genick geschoben, warfen mir einen
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