Jerry Cotton - 0590 - Handlanger des Todes
drückte Phil das Schießeisen in die Hand. »Verwahre das Spielzeug für mich! Danke!« Ich drehte ab. Phil rollte mit den Augen und ließ die Waffe blitzschnell unter seiner Jacke verschwinden.
Noch am Nachmittag desselben Tages stand ich vor dem Zweiten Sekretär der amerikanischen Botschaft. Joe Fershen sah so unauffällig aus, wie es nur die Boys vom CIA fertigbekommen. Er trug eine randlose Brille aus Fensterglas, kurzgeschorenes Haar und eine Krawatte, die sorgfältig auf die Farbe seines Anzugs abgestimmt war.
»Eine scheußliche Geschichte«, sagte er kopfschüttelnd. »Wir erfuhren von Mr. Wingates Unglück erst, als er schon drei Tage lang in einem wenig vertrauenerweckenden Krankenhaus lag, in dem Mexikos Polizei alle Opfer von Verkehrsunfällen, Messerstechereien und sonstigen verbrecherischen Handlungen unterbringt. Sie halten es für rationeller, falls die Leute vernommen werden müssen. Außerdem liegt das Leichenschauhaus gleich nebenan. Für mich war es nicht einfach, Wingate loszueisen. Die Polizei benahm sich, als wäre nicht er das Opfer, sondern der Täter. Ich zankte mich achtundvierzig Stunden lang mit immer höheren Offizieren herum, während Wingate vor Angst fast verrückt wurde. Er rechnete fest damit, daß der Täter in das Krankenhaus eindringen und ihm den Rest geben würde.«
»Wo ist er jetzt?«
»Wir mieteten auf seinen Wunsch und seine Kosten eine kleine Villa außerhalb der Stadt. Er läßt sich von dem Mädchen pflegen, mit dem er nach Mexiko kam und von dem er gefunden wurde.«
»Sonst kümmert sich niemand um ihn?«
»Selbstverständlich kommt der' Arzt, der aber die Zusammenhänge nicht kennt. Außerdem haben wir dafür gesorgt, daß die Villa von vertrauenswürdigen Personen überwacht wird.« Er betrachtete seine Fingernägel. »Selbstverständlich gehören diese Leute nicht zur Polizei!« Er berührte mich leicht am Arm. »Ich fahre Sie zu ihm, Mr. Cotton. Ich habe einen Wagen ohne Botschaftskennzeichen bereitgestellt.«
Wenig später saß ich neben Fershen, der den Wagen schnell und sicher durch das Verkehrsgewühl steuerte.
»Konnte Wingate Ihnen nicht erzählen, was er zu sagen hat?«
»Es betraf uns nicht«, antwortete er und zuckte die Achseln. »Wingate selbst sagte, es wäre besser, einen FBI-Marin aus New York kommen zu lassen. Anscheinend will er Ihnen einige New Yorker Gangster röstfertig mit allen Zutaten liefern.«
Wir erreichten ein Villenviertel, dessen weiße Häuser versteckt hinter mannshohen Hecken tropischer Kakteen lagen. Fershen steuerte den Wagen durch eine schmale, halbverborgene Einfahrt, fuhr an einer weißen, von violetten Blüten einer Rankpflanze überwachsenen Mauer entlang und stoppte am Ende der Mauer vor einem kleinen Swimming-pool.
Wir stiegen aus, und gleichzeitig mit uns tauchte aus dem Wasser des Pools ein langbeiniges Girl auf, braun wie eine Reklame für Sonnenöl. Die Bekleidung bestand aus -zwei knallroten Bikinifetzen und hellblondem, schulterlangem Haar.
»Hallo, Joe!« rief die Blonde und griff nach einem weißen Bademantel.
Der Botschaftssekretär stellte mich vor. »Das ist Jerry Cotton, FBI-Agent aus New York.«
»Hallo, G-man! Steht das Rockefeiler Building noch? Dyan schleift mich seit sechs Monaten durch den Süden, und ich sterbe fast vor Sehnsucht nach dem Broadway. Ich heiße Lyda Varnot.«
Sie gab mir eine nasse Hand. Für ein Mädchen war sie ziemlich groß. Ich sah, daß sie kühle blaugraue Augen und ein energisches Kinn besaß.
»Kommen Sie ins Haus! Wingate wird sich mächtig freuen, Sie zu sehen, G-man. Seit er angeschossen wurde, wartet er auf den Anblick eines amerikanischen Polizisten wie ein kleiner Junge auf den Weihnachtsmann.«
Dyan Wingate saß in einem Rollstuhl. Seine linke Schulter war verbunden. Außerdem steckte das rechte Bein in einem Gipsverband, und ein handtellergroßes Pflaster klebte auf seiner Stirn. »Dein G-man, Dyan«, sagte Lyda Varnot und wies auf mich.
Wingate reichte mir die Hand. Er hatte ein eckiges Gesicht mit starken Falten um die Mundwinkel, einer breiten Stirn und dichtem grauen Haar. Er war fünfzig Jahre alt.
»Sagen Sie mir Ihren Namen, G-man!«
»Jerry Cotton!«
»Ah, Mr. High hat mir den richtigen Mann geschickt. Sie haben einen guten Ruf, Mr. Cotton.«
»Danke für die Blumen!«
»Ich hoffe, Sie sind wirklich so tüchtig, wie man Ihnen nachsagt. Sie müssen es mit Männern aufnehmen, die gefährlich sind wie giftige Schlangen.« Er stieß mit der freien
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