Jerry Cotton - 0591 - Flitterwochen mit dem Satan
zu verletzen.
Der Gangster setzte sich abrupt. In seinen Augen breitete sich Resignation aus. Er wußte, daß er gegen mich keine Chance hatte.
»Setzen wir unser kleines Fragespiel fort«, sagte ich. »Beginnen wir mit Ihren Personalien. Wie heißen Sie?«
Er antwortete nicht. Sein Blick ging ins Leere. Seine Züge wurden von Haß, Enttäuschung und Verzweiflung geprägt.
Ich dachte an Stanton. Vielleicht lebte er noch. Vielleicht brauchte er die rasche Hilfe eines Arztes.
»Stehen Sie auf«, herrschte ich den Killer an. Er reagierte nicht. Es schien fast so, als hörte er gar nicht, was ich sagte. Ich ging auf ihn zu. Er zog wie fröstelnd die Schultern zusammen und schien zu erwarten, daß ich ihn schlug. »Aufstehen!« wiederholte ich. Diesmal spurte er. Ich ließ ihn vor mir in das Badezimmer marschieren.
Auf den eierschalenfarbigen Bodenfliesen lag ein Mann. Sein Kopf ruhte auf der Seite, die Hände waren in die schmalen Rillen der Bodenkacheln verkrallt. Der Mann war ungewöhnlich groß, ein wahrer Hüne. Er war blond, und er war tot.
Ray Stanton konnte uns nichts mehr über die Lollans sagen. Er konnte mir nicht erklären, wie gut er Vivian gekannt hatte und wie es kam, daß er in der Lage gewesen w.ar, sich diese Luxusbleibe zu leisten.
Der Tote war übrigens nur mit einem Pyjama bekleidet.
Daraus ging hervor, daß Stanton keiner normalen Arbeit nachgegangen war. Wovon hatte er gelebt?
Ich blickte den Mörder an. Er lehnte am Türrahmen und starrte in den Spiegel, der ihm genau gegenüberhing. Ich stellte die Fragen, die mich beschäftigten, aber der Killer gab mir keine Antwort.
Er schien entschlossen, meine Ermittlungsarbeit mit Schweigen zu boykottieren. Er wich auch nicht davon ab, als Kramer mit seinen Leuten eintraf.
Immerhin gelang es uns, den Killer an Hand seines Führerscheins zu identifizieren. Er hieß Richard Summers und wohnte im Stadtteil Queens. Eine telefonische Rückfrage im District Office ergab, daß Summers vom einfachen Ladendiebstahl bis zum bewaffneten Raubüberfall kaum eine Vorstrafe ausgelassen hatte. Nur unter Mordanklage hatte er bislang noch nicht gestanden.
Summers war bei diesen Straftaten stets als Einzelgänger aufgetreten. Diesmal hatte er für einen Auftraggeber gearbeitet. Das paßte nicht in den Streifen. Was hatte Summers dazu gebracht, seine Methode zu ändern?
Geld natürlich. Das gab er zu. Wer aber war sein Geldgeber und welchen Zweck verfolgte dieser Unbekannte mit Stantons Ermordung?
Andy Cornell? Ich bezweifelte, daß der Syndikatsboß mit dieser Geschichte etwas zu tun hatte. Soviel mir bekannt war, gehörte Summers weder diesem noch einem anderen Syndikat an. Das hatte freilich nicht viel zu sagen. Selbst renommierte Bandenbosse verfallen zuweilen auf die Idee, »betriebsfremde« Killer zu engagieren. Die Vorteile dieser Wahl liegen auf der Hand. Falls etwas schiefgeht, kann die Polizei nicht sofort den Auftraggeber ausfindig machen.
Während Lieutenant Kramer vergebens versuchte, den Killer zum Reden zu bringen, schaute ich mir die Fotos auf dem Sideboard etwas genauer an. Eines davon erschien mir besonders interessant.
Es zeigte den blonden Stanton mit Vivian Lollan vor dem Eingang zu einer Boxkampfarena. Hinter den beiden klebte ein Plakat an der Wand. Außer den Namen der Kontrahenten nannte es das Datum der Veranstaltung.
Ich pfiff leise durch die Zähne. Das Datum lag nur drei Wochen zurück.
Wie eng waren die beiden miteinander befreundet gewesen? Auf dem Foto standen sie dicht beieinander, Schulter an Schulter. Sie sahen aus wie ein junges Liebespaar.
Waren sie das tatsächlich gewesen?
Zum Zeitpunkt der Aufnahme hatte die Presse bereits das Brautpaar des Jahres gefeiert und ihren Lesern fast täglich etwas über Dean Harrow McKay und Vivian Lollan berichtet.
Wenn nicht alles täuschte, hatten die Reporter eine schlechte Nase bewiesen. Viviän Lollan war zwar bereit gewesen, McKay zu heiraten, aber geliebt hatte sie möglicherweise ihren ehemaligen Chauffeur.
War das die Erklärung dafür, daß Stanton seine Stellung verloren hatte? War es der um den Ruf seiner Tochter besorgte alte Lollan gewesen, der Stanton auf die Straße gesetzt hatte?
Es war klar, daß ich hier einhaken mußte, um die vielen widersprechenden Beobachtungen und Feststellungen miteinander in Einklang zu bringen.
Emptywoods Rolle und seine Ermordung, Stantons Tod und Vivian Lollans Entführung waren dabei ebenso bedeutsam wie das merkwürdige Verhalten von
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