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Jerry Cotton - 0592 - Ein Bettler macht kein Testament

Jerry Cotton - 0592 - Ein Bettler macht kein Testament

Titel: Jerry Cotton - 0592 - Ein Bettler macht kein Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
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winselten. Es hätte auch sowieso keinen Zweck.«
    Das war deutlich genug. Er hatte mir klar zu verstehen gegeben, daß ich keine Gnade zu erwarten hatte. Phil war ausgeschaltet, vielleicht sogar schon tot. Ich saß hoffnungslos in der Falle. Sie würde bald zuschnappen, wenn nicht ein Wunder geschah. In meiner Lage blieb mir nichts anderes übrig, als auf dieses Wunder zu warten.
    Rosebud hatte sich inzwischen hinter dem Schreibtisch niedergelassen und starrte dumpf brütend vor sich hin. Garrick strich ruhelos durch das Zimmer und warf mir ab und zu Blicke zu, aus denen unverhüllter Haß sprach. Er war nervös und trank ständig. Das Zimmer trug noch die Spuren unseres Kampfes.
    Minutenlang sagte niemand etwas. Die Stille fiel mir auf die Nerven, und so versuchte ich das Gespräch wieder in Gang zu bringen.
    »Sie haben da in Ihrem Schreibtisch eine hübsche kleine Mundharmonika, Rosebud. Hat sie wirklich dem großen Tinetto gehört?«
    Bei dem Namen zuckte er zusammen. Ich ließ mir nichts anmerken, aber innerlich war ich so gespannt wie ein Sprinter kurz vor dem Start. Vielleicht konnte ich ihn dazu bringen, das Geheimnis der Mundharmonika zu lüften.
    Er schwieg, und ich dachte schon, er werde wieder in sein Brüten zurückfallen, aber dann antwortete er doch.
    »Ja, sie hat ihm gehört. Er selbst hat seinen Namen hineingeritzt, lange bevor er berühmt wurde.«
    »Warum lag Ihnen soviel daran, die Mundharmonika in Ihren Besitz zu bekommen? Sie haben drei Männer beauftragt, sie zu beschaffen, und der alte Tate hat dabei sein Leben lassen müssen. Warum, Rosebud?«
    Seine Augen blitzten zornig. »Ich habe bereits gesagt, daß ich seinen Tod nicht gewollt habe. Es war eine Art Unfall, den ich sehr bedaure, aber ich kann nichts daran ändern.«
    »Und Riddle und Tybell, der Anwalt? Waren das auch Unfälle, wie Sie es bezeichnen?«
    Rosebuds Gesicht wirkte plötzlich eingefallen und müde. Mir fiel auf, daß es eine ungesunde Farbe hatte, irgendwie fahl und grau, als ob jahrelang keine Sonne mehr darauf geschienen hätte.
    »Sagen Sie, Cotton, haben Sie einen Bruder?«
    »Nein.« Ich war überrascht.
    »Dann werden Sie mich vielleicht nicht verstehen. Aber das erwarte ich auch gar nicht von Ihnen.« Er lächelte amüsiert. »Ich kann mir vorstellen, was jetzt in Ihnen vorgeht. Sie sind Polizist und haben an der Aufklärung eines Falles gearbeitet, ohne dabei sehr weit zu kommen. Und jetzt sind Sie begierig darauf, meine Geschichte zu hören, stimmt’s?«
    Er hatte natürlich recht, und ich sagte es ihm offen. Was hätte ich auch tun sollen? Ich wollte wenigstens wissen, wofür die Männer gestorben waren, deretwegen ich überhaupt in diesem verfluchten Haus war.
    »Ich habe Johnny geliebt, wie man seinen jüngeren Bruder nur lieben kann.« Er sprach so leise, daß ich mir Mühe geben mußte, ihn zu verstehen. »Johnny war das Gegenteil von mir, feinfühlig und sensibel. Er hat seine Eltern nicht gekannt und hatte nur mich. Auch er liebte mich. Ich war sozusagen sein Idol. Leider gab es da etwas, das zwischen uns stand, nur Johnny wußte nichts davon. Ich geriet sehr früh auf die schiefe Bahn, wie man das wohl in Ihren Kreisen nennt, und habe ihm nie etwas davon gesagt. Er glaubte so sehr an mich, daß ich es nicht fertigbrachte.«
    »Warum haben Sie nicht rechtzeitig Schluß gemacht?«
    Er winkte müde ab. »Ich bin einfach dazu geboren, glauben Sie mir. Ich hatte mit 20 in Chicago meine eigene Gang, und mit 30 war ich oben.«
    »Was wurde aus Ihrem Bruder?«
    »Ich schickte Johnny auf eine gute Schule. Aber er neigte mehr zur Musik, und so hielt er es dort nicht lange aus. Eines Tages riß er aus und ging nach New York. Dort traf er einen jungen Italiener, mit dem er sich anfreundete. Beide hatten die gleichen Interessen. Sie wissen, wer dieser Italiener war?«
    Ich nickte. »Tinetto.«
    »Ja, Tinetto. Er war damals schon hoch begabt und schenkte Johnny seine alte Mundharmonika, als er sich für seine erste Gage eine neue kaufen konnte. Kurz darauf trennten sie sich, weil die Produzenten auf Tinetto aufmerksam geworden waren. Johnny übte wie besessen auf dem Instrument, weil er seinem Freund nacheifern wollte. Er war ebenfalls begabt, nicht so sehr wie Tinetto, aber immerhin. Doch er schaffte es nicht. Als er das merkte, nahm er einen Job in einer Bank an und spielte nur noch zum Zeitvertreib. Die Mundharmonika trug er jedoch stets bei sich. Sie war sein Talisman. Als ich ihn einmal besuchte, sagte er, ich

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