Jerry Cotton - 0592 - Ein Bettler macht kein Testament
ich weiß schon. Ja, dieses Schwein Tybell wollte gerade mit zwei Figuren auf Reisen gehen, als wir ihn besuchten. Er hatte sich so ’ne Art Leibwache zugelegt, weil er vor Angst kaum noch allein die Nase aus dem Fenster steckte. Nachdem diese Blindgänger Ritchie gesehen hatten, verspürten sie keine Lust mehr, wegen Tybell ihre Kanonen zu ziehen. Wir haben sie laufenlassen, weil sie sich lieber die Zunge abbeißen würden, als uns zu verpfeifen. Ich sehe ein, daß das ein Fehler war. An die verdammten Prints habe ich nicht gedacht. Wer weiß, wie lange sie das Maul halten, wenn die Bullen sie erst einmal hopsgenommen haben!«
Ich lächelte ihn kalt an. »Schon wieder ein Fehler, Rosebud? Etwas viel für einen Mann Ihres Formats, finden Sie nicht? Ihr erster Fehler war, daß Sie voll und ganz auf Garrick gesetzt haben. Durch sein Verschulden konnte Jim Hillers entkommen, der uns auf Ihre Spur brachte. Den zweiten Fehler gestehen Sie sich selbst ein, und den dritten werden Sie begehen, wenn Sie mich umbringen lassen.«
, Rosebud lachte in einer sonderbar kehligen Art. »Sie haben einen Nerv, Mann! Was schlagen Sie denn vor, Sie neunmalkluger Gesetzeshüter?«
»Geben Sie auf, ehe es ganz zu spät ist, Rosebud!« Ich sprach, so eindringlich ich konnte. »Diese Rache ist so sinnlos wie kaum etwas'anderes. Hören Sie auf damit, und zwar jetzt!«
Augenblicklich verfinsterte sich sein Gesicht wieder. »Sie wissen nicht, was Sie da reden. Ich habe zehn sinnlose Jahre hinter Gittern verbracht, und Sie wollen mir erzählen, was sinnlos ist! Cotton, während dieser ganzen zehn Jahre hat mich nur ein einziger Gedanke beschäftigt: Wie ich meinen Bruder Johnny rächen würde, wenn ich wieder draußen bin. In zehn Jahren ist mein Haß auf ein paar feige Verräter nicht geringer geworden. Und ich werde nicht eher ruhen, bis der letzte für seinen Verrat bezahlt hat, das schwöre ich Ihnen.«
»Aber wofür, Rosebud, wofür? Sie glauben doch nicht im Ernst, daß Sie ungeschoren davonkommen werden, auch wenn ich jetzt in Ihrer Gewalt bin. Man wird Sie fassen, und was das bedeutet, wissen Sie besser als ich.«
»Es ist mir ziemlich gleichgültig, was mit mir geschieht, wenn ich meinen Plan ausgeführt habe. Die zehn Jahre haben mich fertiggemacht. Ich bin zu alt, um noch einmal von vorn anzufangen, denn meinen Platz hat längst ein anderer eingenommen. Es kommt nur darauf an, die Verräter zu erledigen, bevor es mir selbst an den Kragen geht. Wenn mir das gelingt, habe ich mein Ziel erreicht.«
Er konnte nicht normal sein. Er war ein Ungeheuer, das nur noch aus Haß bestand, aus glühendem Haß und eiserner Entschlossenheit. Deutlicher als zuvor wurde mir bewußt, daß ich von Rosebud keine Gnade erwarten durfte. Er würde alles vernichten, was ihm bei seinen Plänen im Weg war. Und im Augenblick gab es kein größeres Hindernis als mich.
Ritchie Garrick stand auf und kam herüber. »Es wird Zeit, Boß.«
Rosebud nickte. »Ja, ich weiß. Tut mir leid, G-man, daß wir das Gespräch an dieser Stelle abbrechen müssen. Aber ich habe Verpflichtungen, wie Sie wissen. Ritchie wird sich jetzt ein bißchen um Sie kümmern. Er brennt schon die ganze Zeit darauf. Habe ich recht, alter Junge?« Statt einer Antwort brachte Garrick seine Pistole zum Vorschein.
Ich grinste ihn an. »Sie wollen sich doch nicht um Ihren Spaß bringen und mir einfach eine schnöde Kugel verpassen? Das fände ich nun doch ein bißchen billig.« .
»Halt’s Maul!« fauchte Garrick. »Du wirst nicht zu kurz kommen, du verdammter Schnüffler.« Er hob die Pistole.
Mir fiel etwas ein. »Einen Augenblick, Rosebud! Wieviel stehen noch auf Ihrer Liste?«
»Zwei, wenn es Sie beruhigt. Und nun leben Sie wohl!«
Ich wollte noch etwas erwidern, aber Garricks Arm fuhr hernieder und mit ihm die schwere Pistole. Irgendwo in meinem Hinterkopf begann schrill eine Klingel zu lärmen, und dann wurde ich zum zweitenmal ohnmächtig.
***
Wieder erwachte ich dadurch, daß mir jemand etwas ins Gesicht schüttete. Nur daß es diesmal kein Whisky war, wie ich sofort feststellte, sondern ordinäres Wasser, dem man eine gehörige Portion Öl beigegeben haben mußte. Ich spuckte prustend aus und hoffte, daß der Mensch, der so verschwenderisch mit Wasser umging, in der richtigen Richtung stand. Es mußte wohl so sein, denn gleich darauf erhielt ich einen Tritt vors Schienbein.
»Warte nur, großer Held, du wirst noch viel mehr zu schlucken haben!« kündigte mir jemand mit der
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