Jerry Cotton - 0593 - Der Tote mit zwei Koepfen
nach hinten und rutschte selbst auf den Vordersitz. Noch einmal streifte Stewitts Blick ihre schlanke und doch provozierende Figur. Großartig, dachte er. Besser konnte es gar nicht kommen.
Während er an der nächsten Abzweigung auf eine holprige Landstraße abbog, unterhielt er sich mit ihr: »Haben Sie auch einen Namen, Miß?«
Sie wurde rot.
»Ich — entschuldigen Sie. Natürlich. Ich heiße Nancy Winters.«
»Ich bin Bruce Stewitt«, sagte er und schielte aus den Augenwinkeln zu ihr hinüber. Nichts in ihrem Gesicht verriet, daß sie den Namen jemals gehört hätte.
»Es freut mich, Sie kennenzulernen, Sir«, sagte sie artig und wirkte wie ein Schulmädchen, das eine Lektion aufsagt.
»Durchgebrannt, was?« fragte er und lächelte verständnisvoll.
Sie wollte trotzig den Kopf schütteln, dann sah sie sein Lächeln, und da gab sie es zu: »Ja. Ich konnte es nicht mehr aushalten. Vierhundert Farmer, sechzig’ Handwerker, zwanzig Geschäftsleute und zehn Beamte — das ist unsere Stadt. Einmal wöchentlich Kino in der Kneipe — die ältesten Schinken, die Sie sich denken können, und vorher auch noch beschnitten, damit man um Himmels willen nicht sieht, wenn mal einer eine Frau in den Arm nimmt. Können Sie sich so was vorstellen?«
»Und ob«, sagte Stewitt. »Das kann ich mir vorstellen, das kenne ich aus eigener Erfahrung. Wenn man seine Zahnbürste nicht finden kann, braucht man nur die Nachbarn zu fragen. Die wissen alles besser als man selber.«
»Ja, genauso ist es!« rief das Mädchen. »Oh, ich bin so froh, daß Sie mich verstehen, Mister Stewitt. Die hätten mich gelyncht, wenn ich nur ein Minikleid angezogen hätte. Und in so einer Hölle soll man seine Jugend verplempern!«
Sie passierten ein kleines Nest, das nicht einmal fünfhundert Einwohner haben konnte. Danach stieg die Straße leicht an, bis sie in ein Wäldchen hineinführte. Da trat Bruce Stewitt wieder auf die Bremse. Vor ihm stand ein alter Dodge am Fahrbahnrand, aber von einem Fahrer war weit und breit nichts zu sehen. Das wäre eine Gelegenheit, dachte Bruce Stewitt. Wenn die Kleine meinen Wagen fahren kann, könnte ich mir diese Mühle unter den Nagel reißen. Ist zwar schon alt, aber einen Hunderter würde ich wohl noch dafür kriegen…
»Oh!«
Bruce Stewitt wandte den Kopf. Das Mädchen hatte diesen Laut fast wie einen Schrei ausgestoßen.
»Was ist los?« fragte er.
»Sehen Sie doch nur!« rief sie und zeigte über die Straße. »Da! Da liegt doch ein Mann!«
Stewitt stieg aus. Tatsächlich. Auf der anderen Straßenseite lag ein Mann. Im Zwielicht der Abenddämmerung hatte Stewitt ihn bisher noch nicht ausgemacht. Jetzt überquerte er die Straße. Zwei Schritte vor der reglosen Gestalt blieb er stehen, als sei er gegen eine unsichtbare Mauer geprallt.
Vor ihm lag ein Toter — aber ein Toter ohne Kopf.
Stewitt kniete mit dem Rücken zu seinem Wagen hin nieder. Die Kleine brauchte nicht zu sehen, was er tat. Mit schnellen Griffen untersuchte er die Taschen. Er fand ganze kümmerliche sieben Dollar.
»Mist!« knurrte er.
Und dann fand er einen Führerschein und eine Sozialversicherungskarte, ausgestellt auf den Namen Dan Roccer. Dem Geburtsdatum nach mußte der Mann neunundzwanzig sein, also nicht viel jünger als Stewitt selbst. Rasch steckte er die Papiere ein. Als er schon aufstehen wollte, fiel ihm plötzlich etwas ein. Er grinste. Vielleicht würde die Kleine später darauf hereinfallen. Man würde ja sehen…
»Miß Winters!« rief er, ohne sich umzudrehen. »Miß Winfters, kommen Sie mal her!« Er hörte ihre Schritte näher kommen. Als sie hinter ihm stehenblieb, hörte er sogar, wie sie scharf die Luft einzog.
»Sehen Sie nicht so genau hin!« forderte er sie auf und reichte die leere Brieftasche mit den durchsichtigen Cellophanfächern über die Schulter nach hinten. »Gehen Sie mal die Fächer durch, ob er Papiere bei sich hat. Damit wir die Angehörigen verständigen können.«
»Ich — ich…«
»Nehmen Sie sich zusammen, zum Teufel! Und sehen Sie nicht hin!«
»Ich — eh, ja…«
Er schielte zu ihr hinauf. Sie tat es gründlich. Wahrscheinlich gehörte sie zu denen, die alles gründlich tun, was sie einmal angefangen haben. Jedenfalls machte sie diesen Eindruck. Gut, dachte er. Jetzt bleiben ihre Fingerspuren auf den Cellophanfächern. Er nahm die Brieftasche zurück, als sie sie ihm mit der heiseren Bemerkung reichte, daß nur ein Foto drin sei. Das hatte er längst selbst gesehen.
Vor ihren
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