Jerry Cotton - 0595 - Ich gegen John den Irren
dir helfen.« Er wandte sich um und schrie Mary Heed an: »Bring’ den Boy zur Ruhe, verdammt! Sein Greinen geht mir auf die Nerven.«
Barney Fries hatte still auf einer der beiden Pritschen gesessen. Erst als der Kampf zwischen den Männern ausbrach, hatte er laut zu weinen begonnen.
Mary Heed duckte sich unter dem Anruf wie unter einem Peitschenhieb. In ihren Fingern hielt sie eine brennende Marihuana-Zigarette. Sie hatte, während die Männer kämpften, den schmalen Koffer geöffnet, in dem Deysher die Zigaretten und das Heroin verwahrte. Voller Gier und ohne jedes Interesse für ihre Umwelt hatte sie hastig zu rauchen begonnen. Jetzt da sich unter der Wirkung des Giftes ihre Nerven beruhigten, gewann sie auch ihre Gelassenheit zurück. Sie setzte sich neben den Jungen auf die Pritsche und strich ihm über das kurzgeschnittene Haar. »Hör schon auf zu weinen!« sagte sie nachlässig. »Du siehst doch, daß nichts passiert ist.«
»Ich möchte zurück zu Daddy und zu Miß Leonor«, schluchzte Barney. »Lassen Sie mich doch gehen, bitte! Daddy wird ihnen bestimmt das Geld geben.«
»Sei vernünftig, mein Boy! Das ist alles ein wenig kompliziert.« Barney hatte Vertrauen zu Mary Heed, weil sie eine Frau war und ihn nie anschnauzte oder hart anfaßte. Als Deysher an die Pritsche trat, duckte er sich in den Arm der Frau.
»Laß mir die Zigarette, Dave!« bat das Mädchen. Der Gangster dachte nicht mehr an seine Erziehungsabsichten. Winslows Ausbruch hatte seine Gedanken in eine andere Richtung gelenkt.
»Das alles wird komplizierter werden, als ich angenommen habe«, sagte er sorgenvoll. »Ich habe gehofft, wir könnten Winslow wenigstens 100 oder 200 Meter allein fahren lassen, aber jetzt scheint mir das Risiko zu groß. Dieser Übergeschnappte ist fähig, den alten Fries umzubringen und das Geld neben der Leiche liegenzulassen.«
»Meinen Daddy?« schrie Barney entsetzt auf.
»Ach, halt den Mund!« fuhr Deysher ihn an.
Mary Heed zog den Jungen noch enger an sich. Mit der freien Hand nahm sie eine zweite Zigarette, klemmte sie zwischen die Lippen und entzündete die Refeer am Stummel der ersten. Deysher ließ sie gewähren.
»Wir brauchen einen Wagen, in dem ich mitfahren kann. Am besten nehmen wir einen Schnelltransporter mit einer halben Trennwand zwischen Fahrer- und Laderaum. Ursprünglich wollte ich Winslow zu Fuß losschicken und ihm später den Station Wagon geben. Aber wir geben ihm besser einen Wagen, der erst kurz vor der Geldübergabe gestohlen wird. Ich will Winslow nicht mit Odd allein lassen. Mary, du versuchst am besten, gemeinsam mit Rocco den richtigen Schlitten aufzutreiben. Rocco braucht jemand, der auf paßt und der ihm nötigenfalls, falls etwas schiefläuft, eine schnelle Flucht ermöglicht. Es wäre die Hölle, wenn er bei ’nem dämlichen, aber notwendigen Autodiebstahl erwischt würde. Ich verlasse mich auf dich, Mary. Ich weiß, daß du gut bist, wenn du unter Dampf stehst. Ich werde dir genug geben, aber nimm nur so viel, daß du 100prozentig aktionsfähig bleibst.«
»Danke, Dave! Mach dir keine Sorgen! Ich schaffe dir den richtigen Wagen heran.«
***
Obwohl es erst acht Uhr am Abend war, lief der Betrieb in Nr. 106 auf hohen Touren. Vergeblich sah ich mich nach meinem Gesprächspartner von gestern, dem Mann mit der spitzen Nase, um. Ich erinnerte mich, daß Mary Heed nach einem Mann namens Corrado gefragt hatte und erkundigte mich bei dem Excatcher hinter der Theke nach Mr. Corrado.
»Im Billardzimmer wie gewöhnlich«, antwortete er mundfaul.
Eine Schiebetür trennte das Billardzimmer vom Hauptsaal. Vier Billardtische standen in dem Raum, jeweils von fünf, sechs Männern umgeben, während einer mit dem Queue hantierte.
»Corrado?« fragte ich den Kellner, der gerade ein Tablett mit Whiskygläsern brachte.
»Zweiter Tisch! Der Mann in der blauen Jacke!«
Corrado lag mit dem Oberkörper weit über den Tisch gebeugt und versuchte eine Karambolage, aber die Kugel verfehlte den zweiten Ball. Fluchend richtete er sich auf.
»Du hättest mehr Linkseffekt geben müssen«, sagte ich. Er drehte sich um und blickte mich unfreundlich an. Corrado war ein braunhäutiger Bursche, dem das krause schwarze Haar tief in die niedrige Stirn wucherte. Er musterte mich aus kleinen schwarzen Knopfaugen.
»Erstick an deinen Ratschlägen!« knurrte er.
»Ich brauche eine Auskunft«, entgegnete ich ungerührt. »Gestern kaufte eine gewisse Mary Heed bei dir ein. Wo finde ich das
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