Jerry Cotton - 0598 - Der Bakterien-Moerder
Gabel, Freundchen! Es wäre doch ein Jammer, wenn ich in dieser gemütlichen Umgebung gleich zwei Männer auf die lange Reise schicken müßte.«
»Endlich sprechen Sie offen mit mir«, sagte ich. »Das ist nach meinem Geschmack. Sie haben also Bratton vergiftet?«
»Sie haben gute Nerven«, stellte der Neger fest. Er trug jetzt über dem karierten Hemd einen Sportsakko. »Nicht mal blaß sind Sie geworden.«
»Dazu gibt es keinen Grund«, sagte ich ruhig. »Im Gegenteil. Ich bin ein paar Schritte weitergekommen.«
»Meinen Sie, Bratton würde singen? Geben Sie sich keinen Illusionen hin!« höhnte der Neger. »Er wird tot sein, noch ehe der Wagen das Krankenhaus erreicht.«
Der Neger machte zwei Schritte auf mich zu. Sein Finger hatte fast den Druckpunkt des Abzugs erreicht. Es war nicht zu bezweifeln, daß die Worte meines Gegners stimmten. Die Bande beschäftigte einige Giftexperten.
»Warum hat Bratton Sie überhaupt eingelassen?« wunderte ich mich.
»Er konnte es sich nicht leisten, mich an der Tür abzufertigen«, meinte der Neger. »Er wußte, daß die Gang hinter mir steht. Bratton blieb nichts anderes übrig, als einen mit mir zu heben. Er mimte Freundlichkeit, obwohl er mir am liebsten die Augen ausgekratzt hätte. Meine Hautfarbe ist nicht nach seinem Geschmack, wissen Sie.«
»Ich verstehe. Sie vergifteten sein Getränk, ohne daß er es merkte. Als es klingelte, verdrückten Sie sich in einen anderen Raum der Wohnung. Deshalb mußte ich so lange warten, bis Bratton mir öffnete. Sie kamen dann gerade noch rechtzeitig aus Ihrem Versteck, um zu verhindern, daß ich die Mordkommission benachrichtigte.«
»So ist es«, nickte er. »Ehe ich abhaue, möchte ich mich noch etwas in der Wohnung umsehen. Bratton hat uns verpfiffen. Es könnte sein, daß irgendwo ein paar Notizen herumliegen, die nicht für fremde Augen bestimmt sind.«
»Raoul denkt an alles, was?« fragte ich.
Die Augen des Negers verengten sich um ein paar Millimeter. Ich spürte die plötzliche Spannung in seinem Inneren. »Raoul?« fragte er unsicher.
»Ich spreche von Ihrem Boß.«
Er grinste. »Der heißt nicht Raoul. Ich kenne keinen Mann dieses Namens.«
Der Neger hatte begriffen, daß ich den Namen von Bratton gehört hatte, und mimte prompt den Ahnungslosen. Er spielte seine Rolle gut, aber er täuschte mich nicht.
»Raoul«, wiederholte ich murmelnd. »Klingt ein bißchen exotisch, finden Sie nicht auch? Er erinnert mich an die Züge des Toten, den wir auf dem Müllplatz fanden. Ich wette, Sie können mir einiges über ihn sagen.«
»Vielleicht«, spottete der Neger. »Vielleicht auch nicht. Sie könnten mit der Information nichts anfangen. Ich muß mich jetzt in der Wohnung umsehen, G-man. Sie stören dabei. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, schicke ich Sie dorthin, wo Bratton inzwischen eingetroffen sein dürfte.«
»Sie sind also der Killer der Gang«, stellte ich fest.
Ich sprach kühl, sachlich und irgendwie distanziert, war aber keineswegs so gelassen, wie ich mich gab. Zwischen dem Neger und mir lag ein Zwischenraum von vier Metern, einfach zuviel, um ihn mit einem Satz überwinden zu können.
Hinzu kam, daß ich inzwischen gelernt hatte, wie reaktionsschnell der Neger war. Und er dachte nicht daran, irgendwelche Risiken einzugehen.
»Jeder von uns füllt die Position aus, die der Boß ihm gibt«, erklärte der Neger.
Ich legte eine Hand auf eine etwa fußhohe Bronzestatue und ließ meine Finger über den Kopf der Figur gleiten, die eine Jagdgöttin mit Pfeil und Bogen darstellte.
Der Neger lachte leise. »Ich hätte Sie für cleverer gehalten, G-man.«
»Wieso?«
»Sie wollen mir die Figur an den Kopf werfen, nicht wahr? Es ist Ihr Pech, daß ich Sie durchschaue. Außerdem sind Sie einfach nicht schnell genug, um damit zum Zug zu kommen. Ehe ich mich abducke, kann ich noch abdrücken.«
Er hatte recht. Meine Finger glitten nervös über den glatten Kopf der Figur. Ich spürte, daß er sich bewegen ließ. Im ersten Moment schien es mir so, als sei er nur festgeschraubt, aber dann spürte ich einen gewissen Widerstand, der auf eine Federkraft schließen ließ.
Ich betrachtete unauffällig die Figur und erkannte plötzlich, daß es sich dabei um mehr als eine Statue handelte. Die im klassizistischen Stil geschürzte Jagdgöttin hielt Pfeil und Bogen im Anschlag. Das hintere Ende des Pfeils war mit Stabilisierungsflossen versehen.
Mein Herz klopfte plötzlich rascher. Ich begriff, was es mit der Figur für
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