Jerry Cotton - 0599 - Zur Cocktailparty Handgranaten
die Stahlbrücke gerollt war.
Jenseits der Brücke stoppte ich und drehte mich um. Hammonds Hazienda lag am Ende der Privatstraße wie eine Schloßanlage aus einem orientalischen Film, made in Hollywood.
Ich hörte Motorengeräusch und hob den Kopf. In mindestens zweitausend Fuß Höhe kreiste eine Sportmaschine über dem Land. Jetzt schwoll das Motorengeräusch an. Der Pilot zog das Flugzeug hoch in eine Rückwärtsrolle hinein. Auf dem Scheitelpunkt der Rolle schaltete er den Motor ab und ließ die Maschine in einer Rechtsschraube heruntertrudeln. Dreihundert bis vierhundert Fuß über dem Erdboden fing er das Flugzeug ab. Kräftig setzte der Motor wieder ein. Der Propeller zog die Maschine erneut nach oben. Ich fragte mich, ob Adriana Cashin am Steuer der Maschine saß. Wenn sie dieses Flugzeug steuerte, dann verstand sie das Fliegen erstklassig. Für jemanden, der seine Maschine so beherrschte, mußte es eine Kleinigkeit sein, mit einem ljalben Dutzend Handgranaten zielsicher ein Auto und dessen Fahrer zur Strecke zu bringen.
Ich öffnete das Handschuhfach, in dem ich immer eine Schachtel Zigaretten verwahre. Ein zusammengefalteter Zettel geriet mir zwischen die Finger. Es war billiges unliniertes Papier, das von einem Block abgerissen worden war. Ich entfaltete es. In ungelenken Buchstaben stand darauf:
Versäumen Sie nicht Ihr Flugzeug!
***
The Greatest war eine Bezeichnung, die die Unterweltler in den Kaschemmen von New York, Frisko, Chicago, Las Vegas und Miami vor zwei Jahren zu benutzen begannen, aber sie sprachen dann nicht von einem Boxer, der sich häufig selbst als der Größte bezeichnete, sondern von einem Mann, dem sie die Organisation weitverzweigter Verbrechersyndikate zuschrieben. In diesen Gesprächen an den Bartheken wurde der Ruhm von The Greatest zu einem düsteren Glanz aufpoliert, der selbst Namen wie Al Capone und Joe Dillinger überstrahlte. Wann, wo und auf welche Weise immer in den USA ein Kapitalverbrechen mit einer fetten Beute verübt wurde — immer häufiger schrieben die großen und kleinen Gangster zwischen der kanadischen und der mexikanischen Grenze die Tat der Organisation The Greatest zu.
Für das FBI blieb The Greatest lange Zeit ein Schemen, hinter dem eine reale Existenz nicht zu beweisen war. Während die Gangster längst von der Allgegenwart dieses Superbosses überzeugt waren, erschien der Name, oder genauer gesagt die Bezeichnung, ein volles Jahr lang nicht auf der langen Liste der vom FBI dringend gesuchten Staatsfeinde. Vor zwölf Monaten jedoch war offenbar geworden, daß der Vertrieb von Marihuana, Heroin und eines halben Dutzends synthetischer Rauschgifte in vierunddreißig Städten der USA nach dem gleichen System einheitlich organisiert worden war. Die freien Gelegenheitshändler verschwanden von der Bildfläche. Entweder wurden sie von Schlägertrupps kurzerhand in die Krankenhäuser geprügelt, oder die Gangster der neuen Organisation bedienten sich sogar der Polizei. Sie lieferten uns Listen mit den Namen der freien Händler. Es kam zu Razzien. Mehr als fünfzig Kleinverteiler für Rauschgift und ungefähr ein Dutzend Großhändler wurden innerhalb eines Vierteljahres gefaßt. In Frisko gelang es, einen Ring zu zerschlagen, der Marihuana aus Mexiko bezog, und dessen Bosse drei Morde begangen hatten.
Sehr bald mußten die Männer der Rauschgift-Brigade einsehen, daß sie trotz aller Erfolge nichts gewonnen hatten. An die Stelle der wilden Händler, die meistens selbst süchtig waren und häufig gemischte, verfälschte und verdünnte Ware verkauften, traten die Vertreter der Organisation. Ihre Ware war erstklassig und damit doppelt gefährlich. Der Vertrieb war glänzend organisiert und nach oben abgeschirmt.
Wann immer ein Verteiler gefaßt wurde, gelang es doch nie, den Ring von unten nach oben aufzurollen.
Fast gleichzeitig mit der Organisation des Rauschgiftsyndikates geriet das illegale Wettgeschäft in eine Krise. In einem'halben Hundert Großstädte wurden die Buchmacher unter Beschuß genommen. Halbstarkenbanden zertrümmerten die Wettlokale, belästigten die Wetter, warfen die Roulette- und Würfeltische auf die Straße. In Chicago und New York wurden vier Buchmacherbosse erschossen. Dann, völlig überraschend, glätteten sich die Wogen. Die grölenden Rockerbanden verschwanden von den Straßen. Die Spielhöllen funktionierten wieder. Wie vorher boten die Buchmacher flüsternd ihre Wetten in den Kneipen der Arbeiterviertel an, aber für alle
Weitere Kostenlose Bücher