Jerry Cotton - 2912 - Blutschwur
Kings kann er nicht zurück, denn dort haben die Kollegen aus New Jersey schon eine Razzia durchgeführt. Er muss damit rechnen, dass das FBI alle Mitglieder der Gang überwacht. Und hier in New York ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis er von jemandem erkannt wird.«
»Eben. Roger Hill ist verzweifelt. Er dreht bald durch, und er will sich blutig an uns rächen.«
»Wenn Roger Hill auf einen Agent oder Cop feuern wollte, hätte er das längst tun können. Erinnere dich nur an seine Flucht, als wir das Bordell in der Ocean Avenue ausgehoben haben. Da hätte er die Möglichkeit gehabt, uns eine Kugel zu verpassen. Stattdessen ist er abgehauen. Nein, ich halte Roger Hill für clever. Er hat sich seine Chancen ausgerechnet und sucht nach einer Möglichkeit, möglichst ungeschoren aus diesem Fall herauszukommen.«
Phil hob die Schultern.
»Da bin ich anderer Meinung. Lass uns hören, was der Chef dazu sagt.«
Natürlich musste ich das nächtliche Treffen mit einem gesuchten Schwerverbrecher mit Mr High abstimmen. Aber der Assistant Director war auf meiner Seite.
»Roger Hill konnte sich bisher immer einer Verhaftung entziehen. Deshalb dürfen wir ihn nicht kopfscheu machen. Ich schlage vor, dass Sie auf seine Forderung eingehen, Jerry. Aber Phil kann sich unauffällig im Hintergrund halten, um Ihnen im Notfall Rückendeckung geben zu können.«
Damit war ich natürlich einverstanden. Doch wir mussten damit rechnen, dass der flüchtige Rocker unseren Treffpunkt schon vor Mitternacht genau im Auge behalten würde. Also nahm Phil sich schon am frühen Abend einen Chevrolet aus der Fahrbereitschaft und begab sich in dem Wagen allein nach Brooklyn. Er wollte sich in aller Ruhe in der Nähe der Java Street einen unauffälligen Beobachtungsposten suchen. Wir hielten über unsere Handys Kontakt.
»Ich bin jetzt im Zielgebiet eingetroffen, Jerry. Auf diesem Abschnitt der Java Street gibt es viele kleinere Firmen und Büros. Ich kann mir vorstellen, dass die Gegend um Mitternacht so verödet ist wie die Wüste von Nevada. Roger Hill hat den Treffpunkt gut gewählt. Direkt vor dieser Klimaanlagen-Firma befindet sich eine Straßenlaterne. Hill kann irgendwo im Dunklen lauern und genau sehen, ob du allein kommst oder nicht. Aber wir sind cleverer als er. Das Nachbargrundstück gehört einer Spedition. Ich habe dem Hausmeister meine Dienstmarke gezeigt. Er hat nichts dagegen, wenn ich meinen Chevy heute Nacht dort parke. Dann sieht es so aus, als ob das Auto einem Angestellten gehört, der mit einem Truck weggefahren ist. Und wenn Roger Hill Ärger macht, bin ich in drei Minuten bei dir.«
»Hervorragend, Phil. Also bis später.«
Ich beendete das Gespräch. Auf meinen Freund konnte ich mich hundertprozentig verlassen, wie immer. Ich sah dem Treffen mit dem flüchtigen Rocker und Entführer gelassen entgegen.
***
In den folgenden Stunden befasste ich mich mit den Resultaten der Hausdurchsuchungen bei Greg Shawn und Bruce Lonnegan. Meine Kollegen hatten Belastungsmaterial gefunden, was die Schwarzgeld-Investitionen in die illegalen Rockergeschäfte anbelangte. Außerdem gab es noch einige Indizien, deren Bedeutung noch nicht eindeutig geklärt war. Doch die Scientific Research Division hatte keine Beweise für die Verstrickung von Julies Bruder und dem Rocker-Vize in die Entführung finden können.
Das hätte mich auch gewundert, denn ich hatte inzwischen meine ganz eigene Vorstellung von der wahren Bedeutung dieses Kidnappings. Deshalb war ich auch so gespannt auf die Version, die Roger Hill mir auftischen wollte.
Ich fuhr von Manhattan aus rechtzeitig los. Das Gebiet zwischen den Greenpoint Piers und der Kläranlage von Newtown Creek wirkte zu dieser Nachtstunde wirklich verwaist. Ich näherte mich in meinem Jaguar langsam dem Treffpunkt. Es war fünf Minuten vor Mitternacht. Auf dem Speditionsgelände erblickte ich den Chevrolet aus der FBI-Fahrbereitschaft. Phil hatte ihn so geparkt, dass er von der Straße aus kaum bemerkt werden konnte.
Wo war Roger Hill?
Ich parkte unmittelbar vor der Klimaanlagen-Servicewerkstatt und stieg aus. Während der nächsten Minuten fuhren nur zwei Autos vorbei, aber keines von ihnen hielt an. Ich stand auf dem Bürgersteig unter einer Straßenlaterne. Man konnte mich gewiss schon aus einer halben Meile Distanz bemerken. Ich gab mich äußerlich locker, beobachtete aber meine Umgebung ganz genau.
Mir fiel ein schäbiger alter Buick auf, der soeben in die Franklin Street einbog und
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