Jerry Cotton - 2924 - Ein eiskalter Deal
bemerkte ich düster, während ich die Wohnung versiegelte.
***
Am nächsten Morgen fuhren wir zunächst zu Carol Lipinskis Büroadresse. Die Kanzlei war sehr klein. Im Vorzimmer wurden wir von einer jungen, schwarzhaarigen Frau empfangen, die neugierig unsere Dienstausweise begutachtete.
»Ich bin Melody, die studentische Aushilfe hier im Büro«, stellte sie sich vor und befühlte dabei intensiv ein Piercing an ihrer Unterlippe. »Wenn Sie zu Carol wollen, die ist noch nicht da. Eigentlich ist die Kanzlei an Samstagen nicht geöffnet.«
Ein Stapel Akten auf einem der beiden Schreibtische im Vorzimmer ließ Melodys Aufgabe ahnen.
»Sie archivieren die Unterlagen?«, fragte Phil und blinzelte der jungen Frau kurz zu.
»In der Tat, Agent Decker.« Melody kicherte und drehte eine Haarsträhne zwischen den Fingern.
»Dann kennen Sie sicherlich auch Kurt Reinkers? Er ist einer von Miss Lipinskis Klienten.«
Melody sog die Lippen ein und nickte. »Er war gestern erst hier. Ist aber gegangen, weil er Carol nicht angetroffen hat.«
»Trug er zufälligerweise das hier bei sich?« Ich zeigte Melody das an Carol Lipinski adressierte Päckchen.
Die junge Frau bejahte. »Ich wollte es annehmen, aber er wollte es weder mir noch der festangestellten Sekretärin geben. Er sagte, es sei für Carol persönlich. Die musste kurz vorher überraschend zu Gericht und wusste selbst nicht, wann sie wieder hier sein würde. Da ist er wieder abgezogen.«
Ich wog die Sendung in meiner Hand und bedauerte, dass wir keine Handhabe hatten, es zu öffnen. Egal, was immer es enthielt, Reinkers würde sich immer auf etwas herausreden können, und sei es, dass man ihm etwas untergeschoben hatte.
Während wir noch überlegten, was nun am besten zu tun sein, öffnete sich die Bürotür und herein kam Carol Lipinski. Wir merkten es an Melodys Reaktion. Die Studentin verschwand blitzschnell hinter ihrem Schreibtisch und machte einen äußerst beflissenen Eindruck.
»Ich bin Agent Jerry Cotton, und das ist mein Kollege Phil Decker. Wir sind vom FBI New York«, stellte ich uns vor, während ich Carol Lipinski verstohlen musterte. Die Anwältin war, selbst für eine Frau, klein, dabei besaß sie die Statur eines Sumoringers. Als sie uns sah, runzelte sie unwillig die Stirn und warf Melody einen scharfen Blick zu. Die junge Frau, das war sicher, würde so schnell niemanden, der nicht angemeldet war, in Abwesenheit ihrer Chefin ins Büro lassen.
Carol Lipinski sagte kein Wort, während sie in einem zeltartigen, dunkelgrauen Gewand auf uns zu watschelte. Schweigend prüfte sie unsere Dienstausweise und blickt uns finster ins Gesicht, bevor sie uns mit einer Geste ihrer reichlich beringten Rechten in ihr Büro bat. Laut knallte die Tür hinter uns zu, ich konnte Melody im Vorzimmer förmlich aufatmen hören.
»Nun, Agents, was führt Sie zu mir? Noch dazu an einem Samstag.«
»Das Böse schläft nicht an den Wochenenden«, antwortete Phil und zog seine Krawatte zurecht. Wir blieben alle drei stehen: Lipinski hinter ihrem riesigen Schreibtisch, wir davor.
»Es geht um Kurt Reinkers. Wir haben im Rahmen einer FBI-Angelegenheit gestern seine Wohnung durchsucht und dabei auch etwas gefunden, was an Sie adressiert war.« Ich zeigte der Anwältin das Päckchen. Als sie sah, was ich in der Hand hielt, erstarrte sie.
»Wie kommen Sie dazu …«, blaffte sie mich an. Ihr Doppelkinn zitterte vor Empörung.
»Miss Lipinski, wir arbeiten an einem Mordfall, Reinkers wird verdächtigt, eine junge Frau umgebracht und dann etwas entwendet zu haben, was ihr gehört. In seiner Wohnung haben wir nichts gefunden, aber vielleicht befindet es sich hier drin?«
»Sie haben keine Berechtigung, es zu öffnen.«
»Vielleicht doch«, entgegnete Phil. »Für die Wohnung von Reinkers gab es einen Durchsuchungsbefehl. Das Päckchen lag dort, war noch nicht der Post übergeben. Der einzige Grund, warum wir es nicht gleich geöffnet haben, ist der, dass es an Sie adressiert ist und wir selbstverständlich davon ausgegangen sind, von Ihnen unterstützt zu werden. Also – entweder Sie öffnen das Paket jetzt hier und in unserer Anwesenheit oder wir nehmen es wieder mit.«
Natürlich wussten wir, wie heikel die Sache war. Selbst wenn wir in dem Päckchen etwas Belastendes fanden, könnte doch der Umstand, dass wir ein an seine Anwältin gerichtetes Schreiben, oder was immer es war, an uns genommen hatten, später einmal dazu führen, Verfahrensfehler geltend zu machen. Ganz
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