Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
– und ein Volk massakriert, das hier zum ersten Mal in der Geschichte auftaucht: »Israel ist verwüstet und hat kein Saatgut mehr.«
Israel war noch kein Königreich; nach der Schilderung im Buch der Richter war es vielmehr ein von Ältesten regierter Stammesbund, der sich nun einem neuen Feind gegenübersah: den Philistern, die zu den Seevölkern gehörten und aus der Ägäis stammten. Sie eroberten die Küste Kanaans, bauten fünf reiche Städte, wo sie Stoffe webten, rot-schwarze Keramiken fertigten und ihre zahlreichen Götter verehrten. Die Israeliten, die noch als Hirten in kleinen Siedlungen lebten, waren diesen kultivierten Philistern nicht gewachsen, deren Fußtruppen Brustharnische, Beinschienen und Helme nach griechischer Art trugen und Nahkampfwaffen benutzten, die den schwerfälligen Streitwageneinheiten der Ägypter zusetzten.
Die Israeliten wählten charismatische Kriegsherren, die Richter, um gegen die Philister und Kanaaniter zu kämpfen. An einer selten beachteten Stelle behauptet das Buch der Richter, die Israeliten hätten Jerusalem eingenommen und in Brand gesetzt; falls dies so war, gelang es ihnen nicht, die Stellung zu halten.
In der Schlacht von Ebenezer um 1050 v.Chr. schlugen die Philister die Israeliten vernichtend, zerstörten ihr Heiligtum in Silo, erbeuteten die Bundeslade, das heilige Symbol Jahwes, und rückten in das Bergland um Jerusalem vor. Da den Israeliten die Vernichtung drohte und sie »wie andere Völker« sein wollten, beschlossen sie, einen von Gott ausersehenen König zu wählen. [10] Sie wandten sich an ihren alternden Propheten Samuel. Propheten sagten nicht die Zukunft voraus, sondern analysierten die Gegenwart – das griechische Wort propheteia bedeutet, den Willen der Götter auszulegen. Die Israeliten brauchten einen Heerführer: Samuel wählte einen jungen Krieger aus, Saul, und salbte ihn. Als »Haupt der Stämme Israels« regierte er von seiner Bergfestung in Gibeon (Tell al-Ful) nur 5 Kilometer nördlich von Jerusalem aus und rechtfertigte seine Wahl, indem er die Moabiter, Edomiter und Philister besiegte. Für den Thron war er jedoch nicht geeignet, denn »ein böser Geist vom Herrn ängstigte ihn«.
Angesichts eines seelisch labilen Königs schaute Samuel sich im Stillen nach einem anderen um. Unter den acht Söhnen Isais aus Bethlehem spürte er den Segen des Genius: David, der jüngste, war »bräunlich, mit schönen Augen und von guter Gestalt. Und der HERR sprach: Auf, salbe ihn, denn er ists’s.« David war zudem »des Saitenspiels kundig, ein tapferer Mann und tüchtig zum Kampf, verständig in seinen Reden«. Er wuchs zu dem bemerkenswertesten und gereiftesten Charakter des Alten Testaments heran. Der Schöpfer des heiligen Jerusalem war ein Poet, Eroberer, Mörder, Ehebrecher, Inbegriff des heiligen Königs und des mit Fehlern behafteten Abenteurers.
Samuel brachte den jungen David an den Hof König Sauls, der ihn zu einem seiner Waffenträger ernannte. Wenn den König sein Wahn befiel, stellte David seine erste gottgegebene Gabe unter Beweis: Er spielte Harfe, und »Saul wurde es leichter«. Davids musikalische Talente machen einen wesentlichen Teil seines Charismas aus: Einige der ihm zugeschriebenen Psalmen könnten tatsächlich von ihm stammen.
Die Philister rückten in das Tal Elah vor. Saul und seine Truppen standen ihnen gegenüber. Die Philister schickten einen hünenhaften Kämpfer vor, Goliat aus Gat, [6] dessen Rüstung in krassem Gegensatz zu der leichten Ausstattung der Israeliten stand. Saul fürchtete einen offenen Kampf und war sicher erleichtert, wenn auch skeptisch, als David bat, es mit Goliat aufnehmen zu dürfen. Er »wählte fünf glatte Steine aus dem Bach«, schoss einen mit seiner Schleuder ab, »und traf den Philister an die Stirn, dass der Stein in seine Stirn fuhr«. [7] Nachdem er den gefallenen Vorkämpfer enthauptet hatte, verfolgten die Israeliten die Philister bis an ihre Heimatstadt Ekron. Welchen Wahrheitsgehalt diese Geschichte auch haben mag, belegt sie zumindest, dass David sich schon als Junge einen Namen als Krieger machte. [8]
Saul beförderte David, aber die Frauen auf der Straße sangen: »Saul hat tausend erschlagen, aber David zehntausend.« Sauls Sohn Jonathan freundete sich mit David an, und Sauls Tochter Michal liebte ihn. Saul erlaubte ihnen zu heiraten, war aber eifersüchtig: Zweimal versuchte er, seinen Schwiegersohn mit einem Speer zu töten. Prinzessin Michal rettete David das Leben,
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