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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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zu mildern. Die Stadt war voller Passahpilger, von denen viele in der Gewissheit, dass Herodes’ Tod eine apokalyptische Erlösung ankündige, im Tempel für Aufruhr sorgten. Archelaus’ Soldaten wurden gesteinigt. Obwohl Archelaus gerade erst eine Lockerung der Repressionen zugesagt hatte, setzte er seine Kavallerie ein: 3000 Menschen wurden im Tempel niedergemetzelt.
    Der jugendliche Despot übergab die Regierungsgeschäfte seinem zuverlässigen Bruder Philip und fuhr nach Rom, um seine Thronfolge von Augustus bestätigen zu lassen. Aber sein jüngerer Bruder Antipas traf noch vor ihm in Rom ein und hoffte, das Königreich für sich zu ergattern. Sobald Archelaus abgereist war, durchstöberte Augustus’ Statthalter Sabinus Herodes’ Palast in Jerusalem und fand dessen verborgene Schätze, was weitere Aufstände auslöste. Varus, der Statthalter von Syrien, marschierte nach Jerusalem, um die Ordnung wiederherzustellen, aber Banden von Galiläern und Idumäern, die zum Wochenfest in die Stadt strömten, besetzten den Tempel und töteten alle Römer, die sie finden konnten, während Sabinus sich im Phasaelturm versteckte.
    Außerhalb Jerusalems erklärten sich drei Rebellen – ehemalige Sklaven – zu Königen, brannten Herodes’ Paläste nieder und zogen marodierend durchs Land. Diese selbsternannten Könige waren Pseudopropheten, was beweist, dass Jesus tatsächlich in eine Epoche intensiver religiöser Spekulationen hineingeboren wurde. Nachdem die Juden während der Regentschaft des Herodes vergebens auf solche Führer gewartet hatten, traten nun drei gleichzeitig auf: Varus besiegte und tötete alle drei Thronprätendenten, aber es traten ständig neue Pseudopropheten auf, die von den Römern getötet wurden. [58] In der Umgebung Jerusalems ließ Varus 2000 Rebellen kreuzigen.
    Der mittlerweile sechzigjährige Augustus hörte sich in Rom die Streitigkeiten der Herodier an und bestätigte Herodes’ Testament, enthielt Archelaus aber den Königstitel vor und ernannte ihn stattdessen zum Ethnarchen von Judäa, Samaria und Idumäa, Antipas zum Tetrarchen von Galiläa und Peräa (eine Region im heutigen Jordanien) und ihren Halbbruder Philip zum Tetrarchen über den Rest des Königreichs. [59] In Archelaus’ Jerusalem führten die Reichen in ihren römischen Villen ein dekadentes, hellenistisches und überaus unjüdisches Leben: Ein Silberpokal, der zwei Jahrtausende lang in der Nähe vergaben lag und 1911 von einem amerikanischen Sammler gekauft wurde, zeigt eindeutige homosexuelle Vereinigungen – auf der einen Seite lässt ein Mann sich mit einem Flaschenzug auf einen Lustknaben herab, während ein voyeuristischer Sklave durch die Tür lauert, und auf der anderen Seite liegen zwei gelenkige Jungen verschlungen auf einer Liege. Archelaus erwies sich jedoch als so bösartig, unfähig und extravagant, dass Augustus ihn nach zehn Jahren absetzte und nach Gallien verbannte. Judäa wurde römische Provinz, und eine Reihe untergeordneter Präfekten verwaltete Jerusalem von Caesarea an der Küste aus. Zu dieser Zeit führten die Römer eine Volkszählung durch, um die Steuerzahler zu registrieren. Diese Unterwerfung unter römische Macht war so demütigend, dass sie einen kleinen jüdischen Aufstand auslöste; diese Volkszählung schilderte Lukas wahrscheinlich fälschlicherweise als Grund, der die Familie Jesu nach Bethlehem führte.
    Dreißig Jahre lang herrschte Herodes Antipas in Galiläa und träumte vom Königreich seines Vaters, das er beinahe geerbt hätte, bis Johannes der Täufer, ein charismatischer neuer Prophet, aus der Wüste kam, ihn verspottete und herausforderte. [52]

11
    Jesus Christus
    10 – 40 n.Chr.
    Johannes der Täufer und der Fuchs von Galiläa
    Johannes’ Eltern, der Tempelpriester Zacharias und Elisabeth, lebten in dem Dorf Ein Kerem am Rand von Jerusalem. Vermutlich gehörte Zacharias zu den bescheidenen Priestern, die für den Tempeldienst ausgelost wurden und weit von der Tempelelite entfernt waren. Als Junge war Johannes aber wohl häufig im Tempel. Es gab viele Wege, ein guter Jude zu sein, und er entschied sich, asketisch in der Wüste zu leben, wie Jesaja geraten hatte: »In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg.«
    In den ausgehenden zwanziger Jahren n.Chr. gewann Johannes eine wachsende Anhängerschaft zunächst in der Wüste unweit Jerusalems – »alle dachten in ihren Herzen von Johannes, ob er vielleicht der Christus wäre« – und später weiter nördlich im Galiläa des

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