Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Herodias hatte also zuerst den Tod eines Propheten veranlasst und löste nun einen arabisch-jüdischen Krieg aus, den Antipas verlor. Römische Verbündete durften keine Privatkriege führen: Kaiser Tiberius, der auf Capri in zunehmend seniler Verdorbenheit schwelgte, war über Antipas’ Dummheit verärgert, stellte sich aber hinter ihn.
Nun hörte Herodes Antipas von Jesus. Die Leute fragten sich, wer er sein mochte. Manche sagten, er sei »Johannes der Täufer; einige aber, du seist Elia; andere aber, es sei einer der alten Propheten auferstanden«, während sein Jünger Petrus ihn für den Messias hielt. Besonders beliebt war Jesus bei Frauen, unter anderem auch bei einigen Herodierinnen – eine Anhängerin war die Ehefrau von Herodes’ Verwalter. Antipas wusste von Jesu Verbindung zu Johannes dem Täufer: »Es ist Johannes, den ich enthauptet habe, der ist auferstanden.« Er drohte, Jesus einzukerkern. Bezeichnenderweise warnten ihn einige Pharisäer, die ihm offenbar freundlich gesinnt waren: »Geh weg von hier; denn Herodes will dich töten.«
Aber Jesus bot Antipas die Stirn: »Geht hin und sagt diesem Fuchs: Siehe ich treibe böse Geister aus und mache gesund heute und morgen«, und am dritten Tag werde er den einzigen Ort aufsuchen, an dem sich das Schicksal des Menschensohns erfüllen könne: »Denn es geht nicht an, dass ein Prophet umkomme außerhalb von Jerusalem.« Die wunderbar poetische Botschaft Jesu an den Sohn jenes Königs, der den Tempel erbaut hatte, ist durchdrungen von seiner Liebe zu der zum Untergang verdammten Stadt: »Jerusalem, Jerusalem, die du da tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt werden, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel und ihr habt nicht gewollt! Seht, ›euer Haus soll euch wüst gelassen werden‹.« [53]
Jesus von Nazareth: Drei Tage in Jerusalem
Zum Passahfest 33 n.Chr. trafen Jesus und Herodes Antipas nahezu gleichzeitig in Jerusalem ein. [61] Jesus führte eine Prozession nach Betanien auf den Ölberg mit seiner spektakulären Aussicht auf den schneeweiß glänzenden Tempelberg. Er schickte seine Apostel in die Stadt, einen Esel zu holen – keinen Esel, wie wir ihn kennen, sondern das kräftige Reittier der Könige. Die Evangelien, die unsere einzige Quelle sind, schildern die Ereignisse der folgenden drei Tage leicht unterschiedlich. Matthäus erklärt: »Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten.«
Nach den Prophezeiungen sollte der Messias auf einem Esel in die Stadt reiten, und als Jesus sich näherte, breiteten seine Anhänger Palmzweige vor ihm aus und bejubelten ihn als »Sohn Davids« und »König von Israel«. Wahrscheinlich kam er wie viele Besucher durch das Südtor in der Nähe des Siloateiches in die Stadt und ging über die Freitreppe am Robinsonbogen zum Tempel hinauf. Seine Apostel aus der galiläischen Provinz hatten Jerusalem bis dahin noch nie besucht und waren beeindruckt von der Größe des Tempels: »Meister, siehe, was für Steine und was für Bauten!« Jesus, der den Tempel schon oft gesehen hatte, antwortete: »Siehst du diese großen Bauten? Nicht ein Stein wird auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.«
Jesus brachte seine Liebe zu und Enttäuschung über Jerusalem zum Ausdruck, sah aber das »Gräuelbild der Verwüstung« voraus. Historiker nehmen an, dass diese Prophezeiungen später hinzugefügt wurden, da die Evangelien erst entstanden, nachdem Titus den Tempel zerstört hatte. Aber Jerusalem war früher bereits zerstört und wieder aufgebaut worden, und Jesus spiegelte die populären gegen den Tempel gerichteten Traditionen wider. [62] »Ich will diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen andern bauen, der nicht mit Händen gemacht ist«, erklärte er als Widerhall auf den Propheten Jesaja, von dem er inspiriert war. Beide richteten den Blick über die reale Stadt hinaus auf ein himmlisches Jerusalem, das die Macht besäße, die Welt zu erschüttern, aber Jesus versprach, den Tempel in drei Tagen wiederaufzubauen, was vielleicht zeigt, dass er sich nicht gegen das Heiligtum an sich richtete, sondern gegen die Korruption.
Am Tag predigte Jesus und heilte Kranke am Bethesdateich nördlich vom Tempel und am südlich gelegenen Siloateich, wo sich jüdische Pilger drängten, um sich vor Betreten des Tempels zu reinigen. Abends kehrte er zurück in das Haus seiner Freunde in
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