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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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einzufordern. Als er im Frühjahr 66 auf dem Prätorium erschien, sammelten jüdische Jugendliche Kleingeld und warfen es ihm hin. Florus’ griechische und syrische Soldaten griffen die Menge an. Als Florus von den Tempeloberen die Auslieferung der Rowdys verlangte, weigerten sie sich. Nun liefen seine Legionäre Amok, stürmten »in jedes beliebige Haus hinein und mordeten die Bewohner«. Die Gefangenen, darunter auch vornehme Juden, ließ Florius geißeln und kreuzigen. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Die Tempelaristokratie konnte nicht mehr auf römischen Schutz zählen. Die Brutalität, mit der Florus’ Hilfstruppen vorgingen, schürte den jüdischen Widerstand. Seine Kavallerie stürmte mit einer Wut durch die Straßen, dass sie sogar König Agrippas Schwester Berenike bedrohten. Ihre Wachen brachten sie zwar zurück in den Makkabäerpalast, aber sie beschloss, Jerusalem zu retten. [61]

13
    Die jüdischen Kriege: Der Tod Jerusalems
    66 – 70 n.Chr.
    Berenike, die barfüssige Königin: Revolution
    Berenike ging barfuß auf das Prätorium – denselben Weg, den Jesus dreißig Jahre zuvor von Herodes Antipas zurück zu Pilatus zurückgelegt haben dürfte. Die schöne Berenike, Königstochter und -schwester und zweifache Königin, befand sich auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem, um Gott für ihre Genesung von einer Krankheit zu danken, fastete dreißig Tage lang und schor sich das Kopfhaar (überraschend für diese romanisierte Herodierin). Nun warf sie sich Florus zu Füßen und bat ihn, aufzuhören, aber er wollte Rache und Beute. Als seine Verstärkungstruppen sich Jerusalem näherten, waren die Juden gespalten: Ein Teil wollte sich mit den Römern aussöhnen, aber die Radikalen stellten sich auf einen Krieg ein, vielleicht in der Hoffnung, eine gewisse Unabhängigkeit unter römischer Oberhoheit zu erlangen.
    Um die jungen Rebellen zur Zurückhaltung zu bewegen, bedeckten die Tempelpriester ihr Haupt mit Asche und trugen die heiligen Gerätschaften vor sich her. Friedlich zogen die Juden den römischen Kohorten entgegen, um sie zu begrüßen, aber auf Florus’ Befehl machte die Kavallerie sie nieder. Die Menge flüchtete in Richtung der Stadttore, in der Massenpanik wurden viele erdrückt. Florus rückte gegen den Tempelberg vor in der Hoffnung, die beherrschende Burg Antonia einzunehmen. Im Gegenzug schleuderten die Juden von den Dächern Speere auf die Römer, besetzten die Burg Antonia, kappten die Brücken, die in den Tempel führten, und machten den Tempelkomplex damit zu einer Festung.
    Als Florus gerade abzog, traf Herodes Agrippa aus Alexandria ein. Der König rief die Jerusalemer zu einer Versammlung in die Oberstadt, unterhalb seines Palastes. Während Berenike sicher vom Dach aus zuhörte, bat Agrippa die Juden, die Rebellion zu beenden. Er warnte sie, sich gegen das gesamte Römische Reich aufzulehnen: »Ist aber der Krieg einmal im Gange, so geht es nicht ohne große Verluste ab, mag man ihn nun beendigen oder weiterführen wollen … Die Macht der Römer dagegen beherrscht siegreich die Erde.« Schließlich rief er sie auf: »Erbarmt euch also, wenn nicht eurer Weiber und Kinder, so doch dieser eurer Hauptstadt und der heiligen Hallen!« Agrippa und seine Schwester weinten ungeniert. Die Jerusalemer riefen, sie wollten lediglich gegen Florus kämpfen. Agrippa riet ihnen, ihren Tribut zu zahlen. Das Volk willigte ein, und Agrippa führte es in den Tempel, um diese Friedensgeste vorzubereiten. Als König Agrippa aber auf dem Tempelberg darauf bestand, dass die Juden Florus gehorchen sollten, bis ein neuer Prokurator eingetroffen sei, geriet die Menge wieder außer sich vor Empörung.
    Die Priester, unter ihnen auch Josephus, kamen im Tempel zusammen und berieten, ob sie das tägliche Opfer für den römischen Kaiser nicht einstellen sollten, das als Zeichen der Loyalität gegenüber Rom galt. Dieser entscheidende Akt der Rebellion wurde beschlossen: »Das war der eigentliche Anfang des Krieges gegen die Römer«, schrieb Josephus, der sich der Revolte anschloss. Die Rebellen besetzten den Tempel, die moderaten Aristokraten dagegen die Oberstadt, und die beiden jüdischen Parteien beschossen sich gegenseitig mit Schleudern und Speeren.
    Agrippa und Berenike verließen Jerusalem und schickten 3000 Reiter zur Unterstützung der gemäßigten Kräfte, aber die Extremisten gewannen die Oberhand. Die Zeloten, eine populäre Partei, die ihre Basis rund um den Tempel hatte,

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