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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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vorbei, ohne ihn zu bemerken. Rutgar schob das Schwert in die Scheide, gab den Zügel frei und schrie:
    »Halt an! Es ist niemand mehr in der Burg!«
    Sie zuckte zusammen. Nach drei, vier Galoppsprüngen hatte Chersala den Sinn seines Zurufs verstanden. Sie zügelte hart die Stute, sank in den Sattel zurück und hielt mitten auf dem Pfad an. Suchend blickte sie sich um und sah schließlich Rutgar, der auf den Weg hinausritt und den Arm hob. Das Pferd wendete auf der Stelle. Chersala lenkte es zu Rutgar. Sie lachte, aber aus ihren Augen liefen Tränen. Sie begann zu reden und stockte; zweimal versagte ihr die Stimme.
    »Du bist zurückgekommen ... zu mir zurück, Liebster.«
    »Bis zum letzten Augenblick hab ich nicht gewusst, was ich tun soll«, sagte er. Sie lenkten die Pferde dicht aneinander und umarmten sich unbeholfen. Rutgar stieg ab, hob Chersala aus dem Sattel, und sie umarmten sich ein zweites Mal lange und so heftig, dass Chersalas Atem stockte.
    »Du bist hier«, sagte sie schließlich und ließ die Arme hängen. »Wir sind wieder zusammen. Was hast du gerufen - es ist niemand mehr in der Uferburg?«
    »Der Kaiser hat eine Flotte geschickt, voller Söldner. Die Seldschuken sind ohne Kampf abgezogen.« Rutgar wischte mit dem Handrücken die Spuren der Tränen aus ihrem Gesicht. »Berenger ist auf der Fahrt nach Konstantinopel, aber er will mich besuchen.«
    »Ich hab es nicht mehr ausgehalten, das Warten ... auf dich.«
    »Du und ich, wir wissen nicht, was im Winter und Frühling sein wird«, sagte Rutgar und schluckte. Die Pferde zerrten an den Zügeln. »Wahrscheinlich wird's hart. Aber zum ersten Mal, ganz zuletzt, hab ich gewusst, was ich wirklich will.«
    »Glaub mir. Vertrau mir. Ich bin ganz sicher«, sagte sie mit einer Stimme, die ihn ihre Willensstärke erkennen ließ, und legte die Hand auf seinen gegürteten Bauch. »Ich höre deinen Magen rumpeln. Reiten wir zu Vater Gautmar.«
    »So einfach ist es also, wenigstens heute und morgen.« Er hielt den Steigbügel und half ihr in den Sattel. Sie strahlte ihn an und antwortete: »Dein riesiges Ritterheer kommt nicht im Schnee und Eis. Im Winter haben wir viel Zeit. Für uns, zum Reden, Schlafen, Begrübeln ... für alles.«
    »Für alles«, murmelte er und stellte den Fuß in den Steigbügel. »Was immer das bedeuten mag.«
    Er setzte sich im Sattel zurecht, gab die Zügel frei und folgte Chersala auf dem Weg nach Drakon.
 
    Die meisten Dörfler waren aus ihren Verstecken in ihre Häuser zurückgekehrt; fast alles Vieh stand wieder in den Pferchen und Ställen oder weidete zwischen den Häusern. Von der Schmiede her hörten sie Gautmars Hammer auf dem Amboss. Der Erste, den Rutgar und Chersala trafen, war Fischer Faroard. Er winkte und rief ihnen zu: »Wir haben die Pilger und die Seldschuken gesehen und die Galeeren aus der Großen Stadt. Die Boote sind in einer Bucht versteckt, die nur wir kennen.«
    »Ihr Fischer habt die Pilger gerettet.« Er lenkte den Rappen zur Schmiede. »Wir reden noch darüber.«
    Das Hämmern hatte aufgehört. Gautmar stand starr da, die Fäuste in die Seiten gestemmt, und blickte Rutgar mit offenem Mund entgegen. Als er Chersala herantraben und absteigen sah, schüttelte er wortlos den Kopf und hob den Hammer auf, den er fallen gelassen hatte. Rutgar schwang sich aus dem Sattel, ließ den Rappen am Brunnentrog stehen und ging zu Gautmar. Er verbeugte sich knapp und legte die Hand auf die Brust.
    »Von deiner Tochter weiß ich, dass ich willkommen bin.« Der Schmied sah ihm abwartend in die Augen. Rutgar fragte leise: »Habe ich auch deine Gastfreundschaft in Drakon? Bis die Ritter, von denen wir alle reden, sich auf den Weg nach Jerusalem machen?«
    »Wenn du uns hilfst, Plünderer und anderes Gesindel vom Leib zu halten«, sagte Gautmar und hob den Hammer wie eine Waffe. »Wenn du dein Essen und das Futter für das Pferd verdienst. Und wenn du meine Tochter nicht schlägst.«
    »Du wirst dich nicht beklagen müssen«, antwortete Rutgar lachend und hielt dem Schmied die Hand entgegen. »Ich kann hart arbeiten. Deine Tochter ist stark und mutig. Hoffen wir, dass sie mich nicht schlägt.«
    Sie packten ihre Handgelenke und schüttelten die Arme. Chersala lehnte sich an Rutgars Schulter, lächelte ihren Vater an und suchte den Druck seiner Finger. »Wir werden uns nicht schlagen, Vater. Wenn Rutgar und ich das Haus und den Stall drüben, beim Felsen, fertig bauen ...?«
    Gautmar zog die Brauen hoch und schob das erkaltete

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