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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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geputztes Silber; zum ersten Mal hatte er mit einigem Stolz und ebenso großer Berechnung die silbernen Sporen umgeschnallt. Chersala saß im Sattel des erbeuteten Apfelschimmels, in einer Kleidung, in der man sie in der Dämmerung halbwegs für einen glattgesichtigen Knappen halten konnte, dazu Berengers türkischen Bogen und den Köcher auf dem Rücken. Ihr Haar versteckte sie unter dem Seldschukenhelm, dessen bunter Stoffwulst von den Webrahmen Drakons stammte.
    »Nun gilt's, Ritterlein!« Berenger schwang sich aus dem Sattel. Auch Chersala und Rutgar stiegen ab. Die Sonne, schon zwei Handbreit über den Baumwipfeln, leuchtete einen Steinwurf weit in den Wald der Passhöhe hinein. »Die reiche Stadt Nikaia wartet darauf, von dem Heer geplündert zu werden, das von den Türken das ›kaiserliche‹, das Heer des Basileus, genannt wird.«
    »Nicht von uns, Warägerfürst«, sagte Chersala.
    Von Drakon aus war Berenger mit neuen kaiserlichen Befehlen zu Butumites nach Nikaia geritten, wo Raimunds und Adhemars Männer einen der südlichen Türme untergraben und in dem Stollen ein mächtiges Feuer entfacht hatten. Zwar war ein Teil des Bauwerks eingestürzt, aber die Verteidiger zogen nachts die Mauer wieder hoch, sodass sie unbesteigbar blieb. Der Sultan mitsamt seinem Heer hatte sich in die Berge zurückgezogen und wartete, worauf auch immer. Berenger hatte eine Gruppe fränkischer Anführer nach Pelekanon geführt und war nun mit neuen Botschaften wieder auf dem Ritt nach Nikaia. Unterwegs hatte er, wie zuvor vereinbart, Rutgar und Chersala abgeholt. Er hatte nicht versucht, sie zu überreden, sondern sie hatten es selbst so gewollt. Wenn er über ihren Entschluss verwundert war, so zeigte er es nicht.
    »Sie haben in Civetot gelagert?«, fragte Rutgar und deutete zur Passstraße.
    »So ist es«, antwortete Berenger. »Aber nur über Nacht. In einer Stunde hören und sehen wir sie.«
    Sie warteten geduldig. Es dauerte nicht so lange. Die bewaldete Schlucht veränderte alle Laute, doch unverkennbar blieb, dass es die Geräusche von tausend Männern auf tausend Pferden und vieler weiterer zu Fuß, von Karren und Wagen, Lasteseln und aufgeregt kläffenden Hunden waren. Die Letzten des Zuges verließen wohl gerade das halb zerstörte und verbrannte Civetot. Die ersten, die dem Bannerträger und einer Gruppe berittener Waräger folgten, erschienen dort, wo die Straße um eine Felskanzel herumführte.
    »Da sind sie«, sagte Berenger. »Hast du dein Sprüchlein gelernt, Ritterlein?«
    »Die ganze Nacht hab ich's mir vorgesagt.« Rutgar grinste und nahm den Helm von Sattelknauf. »Immer und immer wieder.«
    Berenger begrüßte die Waräger mit einigen unverständlichen Worten und ebensolchen Gesten. Das Dutzend ritt ruhig an ihnen vorbei; prüfende Blicke trafen Rutgar, erstaunte Blicke richteten sich auf Chersala. Die drei führten die Pferde an den Straßenrand und wieder, während die Gepanzerten näher kamen, konnte Rutgar an nichts anderes denken, als dass ein solches Heer, so wie die furchtbaren Reiter der Apokalypse, unverwundbar und unbesiegbar war. Dennoch, sagte er sich und blickte auf die Knochenwälle an den Flanken der Straße, war dem nicht so. Er hatte es selbst mit angesehen.
    Als der Bannerträger den Weg für die Nachkommenden freigemacht hatte und ungefähr zwei Dutzend Ritter die Pferde zügelten, trat Rutgar vor und sagte laut:
    »Die Herren Ritter, um Vergebung. Herr Graf. Ich bin Jean-Rutgar von Beausoleil. Mein Halbbruder Thybold von Les-Baux ist, wie wir hoffen, im Heer des Herrn Bischofs Adhemar, der Nikaia belagert. Kaiser Alexios hat durch seinen Boten Berenger befohlen«, er deutete auf ihn; Berenger verbeugte sich und legte die Rechte auf die Brust, »dass wir Euch nach Nikaia geleiten sollen. Ihr seid sicherlich die Herren von Blois und Chartres und von Lothringen?«
    »Ihr kennt das Land? Wie kommt Ihr hierher?«
    Rutgar antwortete selbstsicher, ohne aufschneiden oder trotzig wirken zu wollen:
    »Ich stand in der Menge, als Papst Urban zu Clermont zu diesem Zug aufrief. Ich habe Peter von Amiens, genannt Kukupetros, von Köln am Rhein bis Civetot begleitet und geschützt.« Er wies nach Norden. »Ich habe geholfen, eine Handvoll hoher Herren und dreitausend schutzlose Pilger zu retten.« Rasselnd und knirschend war der Zug ins Stocken geraten. »Ich bin arm, aus der Provençe, kein Herr und frei, niemandes Knecht. Aber ich - und das gilt auch für meine zwei Freunde hier - kenne das Land bis

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