Jerusalem
Augen. Nikaia, dachte er und beschwor ein Bild seines Ritts mit Chersala bis zum See herauf, vier Meilen gewaltige Mauern im Fünfeck, zwanzig Dutzend Wachttürme, eine Art Hafentor im seichten Ostende des Sees, besetzt von einer großen Zahl Türken. Und nun hatten die Ritter die Stadt an Land vollständig eingeschlossen. Nach der Schlacht gegen das Heer des Sultans, die einen Tag lang gedauert und viele Opfer auf beiden Seiten gefordert hatte, hatten die Ritter den erschlagenen Türken die Köpfe abgeschnitten und sie über die Mauern in die Stadt geschleudert.
Rutgars Blicke irrten ziellos umher; leise sagte er: »Wenn alle Schlachten geschlagen sind, wenn alles vorbei ist - sie werden uns hassen bis in alle Ewigkeit.«
»Du und ich, Ritterlein«, erwiderte Berenger bedächtig, »wir sollten vorher weit weg von jedem Kampf, jeder Schlacht sein. Aber meine Erfahrung sagt, dass dies alles andere als leicht sein wird.
Weiter in meinem Bericht: Schließlich schickten Manuel Butumites und die Ritter Boten zu Kaiser Alexios, um von der Schlacht zu berichten und ihn zu bitten, mit der Hilfe seiner Flotte den Nachschub der Türken abzuschneiden. Ob der Basileus dieser Bitte nachkommt, wird allein er entscheiden.«
Berenger war also Butumites' Bote nach Pelekanon gewesen.
»Der Rat der Fürsten hat indes beschlossen, auf die letzten Heere zu warten und, so Gott will, am 19. Tag des Brachmonds den Sturm auf die Stadt zu beginnen, mit aller Kraft und allen Männern. Also, wenn ihnen Kilidsch Arslan nicht zuvorkommt, in siebenundzwanzig Tagen.«
Berenger nickte, beschloss sein Mahl mit einem Becher Wein und stützte die Hände auf seine Schenkel. Aufmerksam musterte er Rutgar und schien zu wissen, woran Rutgar in diesem Augenblick dachte: wie er in prächtiger Rüstung, eine sieben Ellen lange Lanze in der Rechten und in einem weiten Mantel, der über die Kruppe des Schlachtrosses hing, mit dem Schild am Sattel und einem edelsteingeschmückten Schwertgehänge ins Feld ritt, hinter einem Banner mit dem Bild der Sonne, dessen Farben im Wind knatterten, neben Thybold, der ebenso strahlend und kampfbereit war wie er; zwei Edle der Provençe.
»Sie sagen, dass sie nach dem Fall der Stadt in fünfzig Tagen nach Jerusalem reiten werden.«
»Das können wir glauben oder nicht«, sagte Gautmar, der Berengers Worte gehört hatte und sich zu ihm setzte. »Ein hochfahrender Vorsatz! Bleibst du bei uns? Dein Pferd ist versorgt; du bist ein guter Reiter. Andere hätten's zuschanden geritten.«
»Danke, Gevatter Schmied.« Berenger genoss das Lob des Schmiedes. »Zwei, drei Tage, wenn ich darf - nicht länger.«
»Wir alle sind froh, dass wir ungeschoren davongekommen sind«, sagte Chersala. »Und wie steht es mit den anderen Dörfern? Weißt du etwas, Berenger?«
»Ich weiß, Schönste, dass ihnen von den Pilgern und Rittern nichts geschehen ist. Der Basileus schickt genügend Proviant. Sie sind zügig und stur geradeausgeritten.«
»Und wohin musst du reiten, wenn du ausgeschlafen hast?«
»Wieder zu Butumides. Aber ohne allzu große Hast.« Berenger streckte die Hand nach dem Becher aus. »Sonst wäre ich nicht hier, und«, nach einem Blick in Gautmars bärtiges Gesicht, »der Gaul hätt's nicht überlebt.«
»Ein Kerl, der sein Pferd liebt«, sagte Gautmar und füllte den Becher, »kann gar nicht so schlecht sein. Steck dein grindiges Gebein in ein Bad, Waräger, und schlaf dich aus. Du weißt, wo dein Lager ist.«
Berengers Gesicht, grau und verfallen, zeigte seine Erschöpfung. Er stemmte sich in die Höhe und murmelte:
»Im leeren Bett deiner schönen Schwester, Chersala. Dank für alles - euch allen.«
Er wankte in den hinteren, dunklen Teil des Hauses und warf dabei Schüsseln und Krüge um. Seufzend stand der Schmied auf und folgte ihm.
Am ersten Tag des Brachmonds, in einem wolkenlosen Sonnenaufgang, warteten Rutgar, Chersala und Berenger auf dem freien Stück der Straße, an der höchsten Stelle des Drakon-Passes. Vor einer Woche, berichteten Fischer und Hirten, waren die Heere Stephans von Blois und Roberts von der Normandie übergesetzt worden und näherten sich jetzt von Nikomedia her dem Pass.
»Es sollen tausend Reiter und siebentausend Mann zu Fuß sein«, sagte Berenger und ließ den Zügel los. Der Rappe streckte prustend den Hals. »Aber das erscheint mir übertrieben.«
Sie waren allein auf der Straße. Rutgar trug seine wenigen Waffen und seinen gesamten Besitz. Sein Kettenhemd funkelte wie
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