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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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nickte; als sein Pferd wieder stolperte, zog er die Zügel straff und stieg ächzend ab. Rutgar überlegte nicht lange, nahm ebenfalls die Stiefel aus den Steigbügeln und schwang sich steifbeinig aus dem Sattel. Seine Lippen und die Zunge waren trocken, und der Staub schmeckte bitter.
    »Stark und zäh. Und sie liebt dich, Ritterlein«, pflichtete ihm Berenger bei. »Sie reitet mit dir bis nach Jerusalem.«
    »Vielleicht«, antwortete Rutgar und zuckte mit den Schultern. »Und dann? Damals in Köln, als ich aufgebrochen bin, habe ich nicht einmal von Jerusalem geträumt.«
    »Selbst wenn du wolltest, könntest du nicht zurück. Wenn du das Heer verlässt, mitten im Seldschukenland, bist du ... seid ihr in ein paar Tagen tot.«
    »Da hast du wohl recht, Berenger.« Rutgar senkte den Kopf. Die Sonne brannte den Schweiß in seinen Haarspitzen und im Nacken weg. Die Hufe und die Eisen der Pferde pochten und klirrten gegen Steine, aber keines der staubbedeckten Tiere fiel oder brach zusammen. »Das Heer, alle die bunten Ritter und Bischöfe und Anführer, sie sind wie ein Strom, von dem wir mitgerissen werden. Wir sind mitten in den Strudeln.«
    »Der Basileus, der mit dem Sultan um Land und Besitz ringt«, sagte Berenger leise, »und Tausende Ritter, die sich im Zeichen des Kreuzes für die Befreiung der Heiligen Stadt durch Wüste und Elend schleppen, sie werden euch und auch mich und die anderen nicht einfach gehen lassen. Außerdem werde ich dafür bezahlt, und das nicht schlecht, für Tatikios, also für Basileus Alexios, zu kämpfen.«
    »Ich würde den Weg zurück allein auch nicht finden.« Rutgar lächelte bitter. »Also, Jerusalem erobern, und dann mit den siegreichen Rittern zurückreiten?«
    »Darauf wird es hinauslaufen«, antwortete Berenger. »Aber bis dahin sind wir noch viel älter und vielleicht klüger geworden.«
    »Wenn wir es überleben«, schloss Rutgar niedergeschlagen.
    Berenger stieß ein kurzes, hartes Lachen aus und sagte: »Ich sorge dafür, dass wir unversehrt wenigstens bis nach Antiochia in Syrien kommen.«
 
    Als das Heer durch ein Wunder auf einen Fluss stieß, warfen sich viele Pilger ins Wasser und tranken übermäßig, bis zur Besinnungslosigkeit, und viele blieben tot liegen, so wie die verdursteten Tiere und die Säuglinge, die vor der Zeit geboren wurden und deren Körper am Straßenrand von der Hitze ausgedörrt und von der Sonne verbrannt wurden.
    Noch drei weitere Tage dauerte es unter der sengenden Sonne des Hochsommers und in eisigen Nächten, bis sich die trostlose Landschaft zu verändern begann. Die Straße führte nun abwärts, durch dürre Weiden, Ranken und vergilbtes Buschwerk, an winzigen Dörfern vorbei, in denen unter Ölbäumen arme Armenier hausten und ihre wenige Habe mit den Rittern teilten. Am letzten Tag des Heumonds wälzte sich der Strom aus Menschen und Tieren an Bächen entlang, die von halb versiegten Quellen gespeist wurden, in das Tal von Ikonion hinab, ein Land voller fruchtbarer Bäume, durch das sich fröhlich sprudelnd ein Flüsschen wand.
    Mitten im Tal der Hochebene, hinter einem sperrigen Hügel mit schütterem Wald, breitete sich die Stadt aus; die trutzigen Mauern der Zitadelle sahen die Kundschafter zuerst. Aber die ausgeschickten Späher waren vor zwei Nächten zurückgekommen und hatten berichtet, dass alle Seldschuken in die Berge geflohen waren und so viel mitgenommen hatten, wie sie tragen konnten; die Festung war menschenleer. Angeblich fehlte auch alles, das aus Gold und Silber war.
    Gottfried von Bouillon, erfuhren die Pilger, war auf einem Jagdritt tatsächlich von einem wütenden Bären aus dem Sattel gerissen und verletzt worden. Ein Jagdgenosse namens Husekin hatte im letzten Augenblick das Tier getötet, aber die Wunde wollte nicht heilen und schwächte den Heerführer.
 
    Das »Heer Gottes unter der Führung Christi«, wie man sagte und schrieb, ergoss sich in die riesige, wasserreiche Mulde. Endlich wieder Schatten und klares Wasser im Überfluss! Der Strom aus Menschen flutete über Hänge und Hügel, breitete sich aus, verwandelte sich in tausend Zelte und fünfhundert Feuer. Tiere rissen sich los, stolperten und sprangen zum Wasser, Karren blieben stehen, Gespanne wurden in aller Hast ausgeschirrt, und stundenlang herrschte wüstes Durcheinander. Die Ritter und ihre Knappen rissen diejenigen Trinker vom Wasser zurück, die abermals mehr in sich hineinzusaufen begannen, als ihre Körper vertrugen. Die hundertfach geübten

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