Jerusalem
Ritter, die in den Heeren ritten und stritten.
»Vierzehntausend Schritte sollen die Mauern lang sein«, sagte Rutgar zweifelnd. »Aus braunen Quadern, und sehr hoch. Ist das so?«
»Vierhundert Wachtürme, im Abstand eines Pfeilschusses.« Berenger nickte knapp. »Yaghi muss andere Emire um Hilfe bitten. Längst sind Boten unterwegs. Er weiß, dass wir kommen.«
Vor ihnen ertönten Pfiffe, die schrillen Signale eines Spähers. Atemzüge später ertönte Hufschlag, dann galoppierte von Süden ein Reiter der Vorhut heran, einer der Männer, die sich abseits der Straße der Stadt genähert hatten. Er zügelte sein schäumendes Pferd vor Rutgar und grüßte Berenger.
»Seldschuken aus Antiochia haben in den Dörfern ringsum die Christen verfolgt«, stieß der Mann hervor. »Die Dörfler wissen, dass wir kommen, und haben viele muslimische Besatzungen erschlagen und erdolcht.«
Berenger lenkte seinen Rappen mit Schenkeldruck zur Seite und sagte drängend: »Reite zum Heer, zum General. Sag ihm, was du uns berichtet hast. Die fränkischen Heerführer werden es auch wissen wollen. Es ist unnötig, deinen Gaul zu schinden, Mann!«
Der Späher nickte und trabte an. Die Straßen aus Aleppo und Germanikeia vereinigten sich östlich Antiochias bei einer Brücke über den Orontes. Pons ferri, »Eiserne Brücke«, nannten die Schriftkundigen diese Brücke, die keineswegs aus Eisen bestand, denn ihr eigentlicher Name war Pons farreus, nach dem zweiten Namen des Orontes. Dies und dass sie von zwei Wachttürmen voller Bogenschützen geschützt wurde, wusste man von den Ortskundigen. Als einige Stunden später der nächste Späher von der kleinen Stadt Artah berichtete, wo die Christen ebenfalls ihre muslimische Besatzung umgebracht hatten, sammelte Robert von Flandern seine Männer um sich und ritt dorthin.
Entlang des linken Ufers des Al-Assi, des »rebellischen Flusses«, Orontes oder Farreus in der Sprache der Rhomäer, mehr als drei Stunden lang, waren die Vorhut und Tatikios, gefolgt von Robert von der Normandie mit dreitausend Kämpfern, unbehelligt nach Süden geritten. Wo die Ebene endete, am Ufer des Antiochia-Sees, begann der Blick auf den Berg, den die Muslime Habib an-Naijar nannten.
Etliche Zeit nach Mittag, am 20. Tag des Weinmonds, erreichte das Heer jenes Stück der Straße, von der aus uralte, mächtige Wachttürme und die Brücke und jenseits des Flusses die große Hauptstadt von Syria zu sehen waren. Der Fluss schäumte und gurgelte von Nordost nach Südwest vor den hohen Mauern der Stadt, die an der Grenze der Ebene auf einem niedrigen Hügel aus Buschwerk, Wald und Gras, Felsen und Gärten an einem breit dahingelagerten Bergrücken, dem Berg Silpius, erbaut war; Mauern und Befestigungen aus Haustein und vermörtelten Ziegeln reichten bis zu einer großen Burg auf dessen Gipfel. Die Truppe des Generals sammelte sich im Norden der Eisernen Brücke, oberhalb des Sumpfes, und Rutgar sowie Chersala beteiligten sich am Aufbau eines flüchtigen Lagers.
»Wahrlich, das ist nicht Nikaia«, sagte Rutgar, nachdem er die gewaltige ummauerte Stadt mit ihren unzählbar vielen Häusern und Türmen schweigend und lange gemustert hatte. Die Mauern ragten nicht weiter als eine halbe Stunde Ritts entfernt auf. Vor den Mauern erstreckte sich ein tiefer Graben, aus dem vor kurzer Zeit alle Gewächse und jeder Unrat entfernt worden waren; eine hässliche Narbe im Grün, das zu zwei Dritteln die Stadt umschloss. »Wir werden sie lange belagern müssen. Monate, vielleicht Jahre!«
»Der Emir der Heiden weiß, wie viele wir sind. Und alle muslimischen Städte schicken ihm Truppen. Bald werden wir umzingelt sein.« Chersala hängte den Helm an den Sattelknauf und strich das Haar aus der Stirn. Sie zeigte auf das nächste Tor. »Dieses Mal rennen die Seldschuken nicht vor uns davon.«
»Davon sind auch unsere Heerführer überzeugt.«
Die Spione hatten berichtet, dass ungefähr vierzigtausend Menschen innerhalb der Mauern lebten. Der General und seine Unterführer wussten, wie die Seldschuken die Brücke und die Stadttore verteidigten. Ein Befehl von Tatikios ließ zwei Dutzend Reiter losgaloppieren; die ausgesuchten Bogenschützen sollten den Fürsten helfen.
Während der Tross unter Chersalas wachsamen Augen die Karren ablud und die Pferde versorgte, beobachtete Rutgar, was an der Straße und dem Flussübergang geschah. Adhemar von Le Puy stand in den Steigbügeln, deutete mit dem blanken Schwert zum Himmel und feuerte
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