Jerusalem
seine Ritter an. Die Ritter Herzog Roberts trabten schon vor dem kleinen Trupp des Bischofs auf der leeren Straße auf den östlichen Turm zu. Fast jeder Reiter trug einen normannischen Bogen und zwei gefüllte Köcher; viele Ritter schützten sich mit großen Schilden. Als die Angreifer nahe genug herangeritten waren, erschienen plötzlich zwischen den Zinnen und in wenigen, der Brücke zugewandten Öffnungen einige Dutzend seldschukische Bogenschützen.
Im nächsten Augenblick begannen die Seldschuken Pfeil um Pfeil abzuschießen. Es waren geübte Schützen, die mit jedem Atemzug einen gut gezielten Schuss abgaben. Auf die Angreifer prasselten Dutzende Geschosse auf einmal nieder; nur wenige schlugen vor ihnen in den Boden oder splitterten an der Brüstung der Brücke. Schilde, Körper und Pferde wurden getroffen, aber obwohl hervorragende fränkische Bogenschützen den Pfeilhagel erwiderten, vermochten die Seldschuken den ersten Ansturm aufzuhalten und die kleine Truppe in die Flucht zu schlagen.
Die Christen zogen sich zurück. Einige Verwundete wurden aus den Sätteln gehoben. Fußsoldaten schwärmten aus und drangen im Schutz ihrer Schilde unaufhaltsam zum Turm vor. Die langen Pfeile heulten hinauf zu den Zinnen und trafen die seldschukischen Schützen. Das Knattern der einschlagenden Eisenspitzen in den Schilden, das Kampfgetriller und die » Allāhu -akbar!«-Schreie der Muslime übertönten das Rauschen der Strömung um die Brückenpfeiler.
Acht Kriegsknechte rannten zur eisenbeschlagenen Tür des Turms, sprangen die Treppenstufen hinauf und hämmerten die Spitze des Rammbocks gegen die Bohlen. Pfeile und Steinbrocken prasselten auf die Schilde herunter, aber Helfer rannten hinzu und packten die Schilde. Im Eifer, das Eindringen in den Turm zu verhindern, wagten sich manche Seldschuken zu weit aus dem Schutz der Brüstungsquadern hervor und wurden von Pfeilen getroffen.
Ein Teil des Heeres begann sich an einer seichten Stelle des Orontes, unterhalb der Brückenpfeiler, zum Durchgang durch die Furt aufzustellen, als sich das Tor unterhalb des kaiserlichen Palasts öffnete und einen Strom seldschukische Reiter entließ.
Rutgar versuchte erst gar nicht, die Reiter zu zählen. Er schätzte sie auf sechs- bis siebenhundert. Die Seldschuken galoppierten zum Fluss und verteilten sich im Bereich der Brücke und der Straße entlang des Ufers, eines mit Gras und Kieseln gefüllten Wadis. Aber die Ritter Herzog Roberts zögerten, ins Wasser der Furt hineinzureiten. Über den Fluss hinweg entspann sich ein Kampf der Bogenschützen und Armbruster, ebenso wie auf der Brücke, wo die normannischen Bögen ihre Überlegenheit ebenso bewiesen wie die bösartig surrenden Bolzen der Armbrüste. Der Kampf wogte unentschieden hin und her, niemand verlor, keiner schien zu gewinnen. Verwundete Pferde rissen sich wiehernd los, die blutenden Körper der Krieger auf beiden Ufern klatschten in die Wellen, und plötzlich schmetterten im Rücken der Franken grelle Trompetensignale.
Der Bischof von Le Puy und seine Lehensleute trabten auf der Straße heran. Endlich! Als ob sie vom bevorstehenden Wunder überzeugt wären, drangen die Franken mit neu erwachter Kraft und wildem Kriegsgeschrei auf die Seldschuken ein. Sie galoppierten über die Brücke, durch die Furt, wateten und schwammen durch die Wellen und griffen die Muslime mit Stoßlanzen, Schwertern, Streitkolben und Kampfäxten an. Ununterbrochen ertönte das heulende Sirren abgeschossener Pfeile durch das Getümmel.
Die Reihen der Seldschuken lichteten sich. Einzeln und in kleinen Trupps warfen sie die Pferde herum und flüchteten schreiend zur Stadt und durch das Brückentor in den Schutz der Mauern. Als die ersten Ritter inmitten schäumender Wasserfontänen das gegenüber liegende Ufer erreichten, trafen sie nur auf einige Pferde und tote Seldschuken im flachen Wasser.
Adhemar, der dem Heer Roberts von der Normandie folgte, und die Vorhut von Bohemunds Truppen überfielen einige Stunden danach eine große Karawane, die aus Saumtieren, mit Kornsäcken beladen, und aus Schafherden, Schlachtochsen und anderem Vieh bestand. Der Zug war auf dem Weg zur Stadt, um für das Heer Yaghi-Siyans Proviant für eine lange Belagerung herbeizuschaffen. Als der Bischof in den heftigen Kampf eingriff, ließ er einige Dutzend Fußsoldaten und eine Handvoll Berittene zur Bewachung der Beute zurück, die den Franken unverhofft in den Weg getrabt war. Die Karawane bewegte sich am Westufer des
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