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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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um Stunde stärker wurde und bei Tageslicht herunterströmte wie Wasserfälle. Mit dem Regen, der nur für kurze Zeit aussetzte, kamen Kälte und schneidender Wind.
    Der erste Mond des neuen Jahres hatte begonnen, der Schneemond, aber es schneite nicht, obwohl in der nassen Kälte jeder achte oder siebente Pilger starb; Kind, Frau, Knecht oder Ritter. Hunger und Furcht trieben Söldner aus den Lagern. Am 20. Tag des Schneemonds merkte man, dass auch Peter von Amiens und Wilhelm von Melun, der Zimmermann, fehlten.
    Tancred und eine Handvoll Ritter schwangen sich in die Sättel, hefteten sich auf die Spur der beiden und schleppten sie ins Lager zurück. Peter der Eremit wurde nicht bestraft, aber Wilhelm von Melun verbrachte die ganze Nacht büßend und stehend in Bohemunds Zelt und wurde am Morgen beschimpft und zum Schwur gezwungen, bis zur Einnahme von Jerusalem das Heer nicht zu verlassen.
    In den Stunden der größten Not verfasste Bischof Adhemar Sendschreiben und Bittbriefe an die Gläubigen in den Heimatländern und an deren Oberhirten. Als die Zählung ergab, dass alle Belagerer nur noch über tausend Pferde verfügten, erfuhren die Fürsten, dass sich ein Seldschukenheer von Aleppo näherte, angeführt von Emir Radwan. Kundschafter berichteten, dass sich dem Emir von Aleppo, der zugleich Yaghi-Siyans Schwiegersohn sei, auch dessen Vetter Soqman aus Diyarbekir und der Emir von Hama angeschlossen hätten. Der kalte Regen wollte nicht aufhören.
    Bohemund schaffte es, ein Heer von siebenhundert Berittenen zusammenzustellen; die Gepanzerten ritten nicht nur auf Pferden, sondern auch auf Eseln und Maultieren. Die Fußkämpfer sollten die Belagerung fortsetzen und die Verteidiger täuschen; sie sollten glauben, das gesamte Heer stünde unverändert vor den Mauern.
    Bohemunds kleines Heer schlich am 8. Tag des Hornung im Dunklen über die Schiffsbrücke bis zum Antiochia-See, wo Graf Raimund mit seinem Haufen zu ihm stieß; verborgen in der Nacht warteten die Ritter auf die Rückkehr Walter von Domebarts und eines getauften Seldschuken, die das Heer Radwans auskundschaften sollten. Als sie meldeten, die Seldschuken würden sich in zwei großen Heeresteilen dem Orontes nähern, rüsteten Bohemund und Raimund sich zum Kampf; Bohemund befahl, das Kastell Harenc aufzugeben und zu verlassen. Schon einige Stunden später rückten Radwans Reiter in Harenc ein und verschanzten sich.
    Auch in dieser Nacht regnete es. Fünf Kampfgruppen rückten auf die Seldschuken zu, eine Gruppe verbarg sich in der Ebene. Radwans Heer wurde zwischen die Ufer des Sees und des Flusses gelockt, und als die Heere aufeinandertrafen, merkten die Seldschuken, dass ihre Bogen und Pfeile nass und dadurch unbrauchbar geworden waren. Selbst die Federn lösten sich von den Pfeilschäften.
    Die Ritter griffen mit dem Mut von Todgeweihten an - und als keiner der Pfeile traf, wandten sich die Seldschuken auf der Straße nach Aleppo zur Flucht und nahmen nur mit, was sie tragen konnten. Die Beute versetzte die Kreuzfahrer in Begeisterung. Mehr als tausend Pferde samt Futter, Sätteln und Proviant! Die Ritter schlugen den getöteten Seldschuken die Köpfe ab und rammten hundert Stangen in den Boden vor einem der Stadttore; auf jedem Spieß steckte der blutige Kopf eines Seldschuken.
    Emir Yaghi-Siyan hielt die zurückkehrenden Ungläubigen für Radwans Entsatzheer und wagte einen Ausfall. Im Regen wehrten sich die Fußkämpfer der Belagerer und viele aus Tatikios' Lager. Die Kämpfe zogen sich so lange hin, bis der Emir am Nachmittag einsah, dass er sich verhängnisvoll geirrt hatte. Die Seldschuken schlüpften in den Schutz der Mauern zurück, die Tore schlossen sich wieder.
 
    Berenger hatte aus den erbeuteten Vorräten und der Hinterlassenschaft getöteter Söldner für Thybold Waffen und Kleidung hervorgekramt. Der junge Provençale, frisch eingekleidet und gerüstet, beugte sich zu Rutgar hinunter und blickte über dessen Schulter. Am späten Morgen, im Sonnenschein, der durch zerrissene Löcher in den dahinjagenden Wolken fiel, saß Rutgar im Windschatten der knatternden Zeltleinwand und bedeckte das Pergament mit seiner kleinen Schrift.
    »Ich hab versucht, herauszufinden, wie viele Spieler es in diesem mächtigen Durcheinander gibt und wer in diesen vielen Kämpfen die große Schlacht gewinnt.« Thybolds Blick ging zum Lagereingang, in dessen Nähe die ersten Zelte abgebaut wurden. »Weißt du's, Rutgar? Kannst du es mir erklären?«
    »Nicht

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