Jerusalem
zu werden. Selbst die Ritter, die den Zug hoch zu Ross begleiteten, behandelten ihn mit weniger Herablassung als die anderen Pilger.
Rutgar besaß zwar ein Pferd, aber noch musste er zu Fuß gehen. Er hatte für den Preis, den zwei Ziegen kosteten, einen leidlich jungen, verwahrlosten Gaul gekauft, einen mageren Rappen mit Stirnblesse und bis zu den Knien weißen Läufen, den er am langen Halfterseil mit sich führte. Schweif und Mähne waren verfilzt gewesen, das Tier, das wild mit den Augen rollte, trug eiternde Sporenwunden und zwei Dutzend Male von Hieben, Rissen und Brandwunden im Fell. Ein Hufschmied im Heer hatte die Hufe gereinigt, ausgeschnitten und befeilt und das Tier, das vor Angst störrisch auskeilte, frisch beschlagen. Von einer Kräuterfrau kaufte Rutgar gelbe und schwarze Salben, die auf den Wunden des Reittiers furchterregend stanken, und er fütterte den Rappen, wo immer er konnte, mit saftigem Gras, Hafer und Rübenschnitzen. Abends, wenn nichts anderes zu tun war, kämmte er Zecken aus der Mähne, schnitt und bürstete die Haare; zusehends erholte sich der Rappe und gewöhnte sich an Rutgars beruhigendes Murmeln, seine Hände und seinen Geruch. Aber noch duldete das Tier ihn nicht auf seinem Rücken.
Graf Hugo von Tübingen und Graf Heinrich von Schwarzenbeck, zwei ruhige, mittelgroße Männer von mehr als fünfunddreißig Sommern, mit wenig prunkvollen, abgegriffenen Waffen und in durchgesessenen Sätteln, sorgten in ihrem Tross für Ordnung und Ruhe und nahmen an jedem Gottesdienst teil, den Peter oder seine Stellvertreter hielten. Herzog Walter von Teck und Konrad und Adolf, die Söhne des Grafen von Zimmern, weitaus jünger als die beiden Grafen, hielten längst nicht jedes Wort Peters für ein Zeichen des Himmels und tranken zu viel. Oft saßen sie an den Feuern zusammen mit Dirnen und solchen Pilgern, die Peter in seiner schrankenlosen, von Gott verliehenen Güte zu einem besseren Leben führen wollte. Rutgar hielt sich von diesen Gruppen ebenso fern wie von den jungen Habenichtsen.
An der ersten Wasserstelle, einer großen Viehtränke, sammelten sich die Ritter und stiegen aus den Sätteln. Der Karren mit der schweren, eisenbeschlagenen Schatztruhe rasselte heran und wurde angehalten, als der Bote Peters auf die Ritter zugaloppierte und sein Pferd zügelte.
»Der Statthalter hat uns erlaubt, zu lagern und im Basar einzukaufen. Er ist ein Türke. Walter Sinehabere ist mit fünfzehntausend Pilgern durchgezogen, und sie haben geraubt und gestohlen.«
»Was hat der Eremit befohlen?«, rief Ritter von Burel.
»Wir sollen tun, was der Türke Graf Guz will. Friedlich lagern und weiterziehen.«
»Ihr habt es gehört!«, rief der Ritter. »Was weißt du von der Zitadelle?«
»Dort sind siebentausend ungarische Soldaten, sagen die Bauern!«
»Wir werden uns ausruhen«, sagte Rutgar zu den Gewappneten, »und warten, bis uns die aus Semlin etwas schenken. Peter hat genug Silber, um im Basar Essen und Wein zu kaufen.«
Ritter Gottfried von Burel, fahläugig, schwarzhaarig und mit schwarzgrauem Kinnbart, hatte auf Peters Geheiß die Aufsicht über alle Pilger und Ritter des Zugs; es waren angeblich dreißigtausend, aber sie waren niemals genau gezählt worden. Mit ihm teilte Rutgar die Sorge, dass sich niemand vom Zug entfernte oder gar die Bewohner der Gegend beraubte, durch die sich der Zug vorwärtsquälte - und seien Durst und Hunger noch so groß. Tagein, tagaus; unentwegt häuften sich die Zwischenfälle. Peter, der an der Spitze des vieltausendköpfigen Lindwurms ritt, war um das Wohl der Herzen seiner Schäflein besorgt, aber um kaum etwas anderes. Blutende Füße, aufgeplatzte Blasen, eiternde Wunden, Durst und Streit um Wasser, brechende Räder, störrische Ochsen und plötzliche Kämpfe, die ritterlichem Jähzorn entsprangen - Walter von Breteuil, schmal und zäh, mit einer Haut wie gegerbt, der den Topfhelm nicht einmal im Schlaf abzunehmen schien, half und schlichtete. Von ihm lernte Rutgar, sich inmitten einer riesigen Anzahl Menschen so schnell und geschickt zu bewegen, wie er es einst in der Wildnis um Burg Beausoleil vermocht hatte.
Der Statthalter Semlins, angeblich ein ghuzzischer Türke oder ein Graf mit Namen Guzz, schien zu Tode erschrocken zu sein, denn er wagte sich nicht vor das Stadttor. Die Pilger sahen an der Stadtmauer Schilde, Waffen und Rüstungen hängen; Peter von Amiens selbst erkannte, dass sie zur Ausrüstung von Gewappneten gehörten, die mit Walter
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