Jerusalem
war lauter als in Gewittern. Danach zerstreuten sich die vielen Fackellichter, und wieder brach eine lange, mondlose Nacht an.
Nachts gab es lautstarken Streit an einigen Stellen, der aber rasch geschlichtet wurde. Am Morgen ritten Peter und Rutgar durch das Lager. Peter versammelte seine Getreuen und ritt zur Brücke, auf der ihn Fürst Niketas erwartete. Höflich und in wohlgesetzten Worten bedankte sich Peter; er roch nach Fisch und stieß einige Male laut und säuerlich nach schwerem Wein auf, und der Fürst schien froh zu sein, den Rücken des Eremiten und das kotige Hinterteil des Esels zu sehen.
Peters Gefolge schloss sich an und folgte ihm auf der Straße nach Sofia. Plötzlich lösten sich aus der Menge drei Gruppen bewaffneter Reiter. Sie galoppierten zu den Wassermühlen und zündeten einige an. Es waren Leute aus dem Gefolge der Ritter, die mit den Müllern nachts Streit gehabt hatten. Als der Fürst die Brände bemerkte, gab er Befehl, die feuerlegenden Pilger anzugreifen und gefangenzunehmen.
»Erteilt ihnen eine Lektion!«, schrie Fürst Niketas. »Macht Gefangene und richtet sie vor aller Augen hin! Leider habe ich die Geiseln schon freigegeben!«
Es geschah nach seinem Befehl. Am Ende des Zuges brachen plötzlich hitzige Kämpfe aus. Peter der Eremit, von einem seiner Vertrauten im hinteren Abschnitt des Zugs, einem jungen deutschen Scholaren namens Lambert benachrichtigt, ritt im Eselsgalopp zwei oder drei Meilen weit zurück und wollte mit Fürst Niketas verhandeln, aber während er und Rutgar zurückeilten, geisterten neuerlich Gerüchte von Verrat und Totschlag durch sein Heer. Unbesonnene Bewaffnete griffen die Stadt an und berannten das Tor, die Truppen Niketas' wehrten sich und begannen den Gegenangriff.
Die kriegskundigen Söldner von Nisch schlugen die Pilger vernichtend, töteten viele von ihnen, verwundeten noch mehr, unter anderem einen Ritter, nahmen ohne Unterschied Männer, Frauen und Kinder gefangen und trieben sie zu Paaren: Wer nicht schnell genug rennen konnte, wurde gepackt und gefesselt. Hunderte und Aberhunderte gerieten für immer in schmachvolle Gefangenschaft.
Die Petschenegen raubten Peter den Karren mit dem Kriegsschatz, als er, Rutgar und Reinhold von Breis zusammen mit einem halben Tausend Männern vor der Übermacht auf einen Hügel flüchteten. Sie glaubten, als Einzige dem sicheren Tod entronnen zu sein. Aber nachts und bis zum nächsten Morgen, während die Kämpfe tobten, fanden sich geschätzte siebentausend Überlebende bei ihnen ein. Sie flüchteten gemeinsam und machten erst bei einem Städtchen Halt, das man Bela Palanka nannte. Dort war die Ernte noch nicht eingebracht.
Während die Überlebenden hungernd das Korn sichelten und Hasen in Schlingen fingen, stießen weitere Versprengte zu ihnen. Rutgar zählte sie, und bald wurde klar, dass etwa ein Viertel aller Pilger tot oder in der Sklaverei war. Einige Ritter siechten auf einem Karren dahin, in blutgetränkten Binden und im Wundfieber.
Peter schrie voller Verzweiflung: »Zehntausend von vierzigtausend! Dahin führt es, wenn man Gottes und meinen Befehlen nicht gehorcht ...«
Nun waren auch Silber, Gold und Denare verschwunden und verloren. Rutgar versuchte, in seinen wirren Gedanken eine Ordnung hinter den Dingen zu erkennen. Wehe den Besiegten, dachte er. Peter von Amiens würde sein ungebrochener Glaube bleiben und ebenso die ungebrochene Kraft seiner Rede, und obgleich auch Peter immer wieder auf harte Proben gestellt werden würde, würde ihn dieser Glaube unbeirrbar auf seinem Weg beharren lassen, und die vielen Tausende würden dies als Tapferkeit preisen, auch wenn er selbst darüber nichts anderes empfand als demütige Bescheidenheit.
Auch die meisten Proviantkarren waren verloren gegangen, desgleichen viele Werkzeuge, Säcke und andere Behälter, auch kostbares Salz in Krügen. Man fand nichts davon jemals wieder; die Bewohner dieses Landes waren ebenso geschickte Plünderer wie Peters Gewappnete. Peter »Kiokio«, stellte Posten auf, die von Rutgar kontrolliert wurden, aber niemand störte die Pilger, als sie rund um die verlassene Stadt die Felder abernteten, das Korn droschen und in Säcke füllten. Rutgar fand ein totes Reitpferd, aufgebläht wie eine Wasserleiche, und nahm ihm, ein nasses Tuch vor Nase und Mund, Zaum und Sattel ab; er fragte Dutzende Pilger nach dem Besitzer, aber niemand erhob darauf Anspruch.
Nach und nach sammelten sich alle Überlebenden bei Peter, zwei
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