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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Erzbischof vor:
 
    Aber die Hälfte seiner Truppen hatte zuvor geschworen, das Rheintal von den Nachkommen jener, die unseren Herrn gekreuzigt hatten, zu reinigen. Vom Haufen des Heeres abgetrennt, kamen sie am 1. Tag des Brachmonds zu Trier an und sahen erstaunt und ungläubig lachend zu, wie sich Juden vor Angst gegenseitig niederstachen und, mit Steinen beschwert, von der Römerbrücke sprangen und sich in der Mosel ertränkten, obwohl auch in Trier Erzbischof Egilbert ihnen Unterschlupf in seinem Palast gewährt hatte. Die Priester, welche Schande!, griffen nicht ein; sie baten nicht einmal um Gnade für die Brüder im mosaischen Glauben.
    In Metz erschlugen sie zwei Dutzend Juden und beraubten sie. Sie ritten abermals nach Köln, wo der Erzbischof indessen jeden um sich versammelte, der Waffen trug. Dort wollte sich der Heerhaufe den Rittern um Emicho von Leiningen anschließen, aber da dieser längst andernorts wütete, mordeten sie in den letzten Tagen des Brachmonds viele Juden in Neuss, Althenar, Wevelinghoven, Aldenhoven, Eller und Xanten, in Moers, Dortmund und Kerpen. Danach waren sie's zufrieden und zerstreuten sich. Einige kehrten heim. Die meisten ritten zum Heer des Gottfried oder Godefroi von Bouillon, das sich zum Weg nach Konstantinopel zu sammeln begann.
 
    »Auch haben wir Kunde aus dem fernen Prag«, murmelte Neidhart und leerte seinen Becher. »Volkmar und Gottschalk haben dorten und in Regensburg gewütet. Danach ...«
    Volkmar und sein Heer, nach den erfolgreichen Pogromen inzwischen in Böhmen angelangt, vernahmen die Kunde von den Heldentaten dessen von Leiningen, und sie fingen an, trotz der mutigen Gegenwehr des Bischofs Kosmas, die Reichen der jüdischen Gemeinde zu Prag zu berauben, ihre Frauen und Töchter zu schänden, Männer, Frauen und Kinder zu töten. Als sie, denen die Juden in Massen zum Opfer gefallen waren, endlich beutesatt waren, marschierten sie zur Grenze Ungarns und überschritten sie; das Geld für die lange Reise hatten sie den Juden geraubt.
    Gottschalk und der entfesselte Zug der bewaffneten Pilger waren durch Bayern gewandert, trafen vor Regensburg ein und sickerten über die Brücke und durch die Tore in die Stadt ein. Ihr festes Vorhaben war, die Juden Regensburgs umzubringen. Dies gelang ihnen zwar nicht, und so blieben sie unzufrieden, weil man sie zum Weiterziehen zwang; einige Tage danach kamen sie bei Mosony zur Grenze Ungarns. Vor ihnen, erfuhren sie von schwer bewaffneten Grenzwächtern, waren an anderen Stellen der Grenze schon andere, ähnlich wie sie, ins Land hereingelassen worden.
    »Und nun die letzte Botschaft«, sagte Neidhart in das lastende Schweigen hinein. »In seine ›Chronica regia Coloniensis‹ wird er's hineinschreiben, hat er uns gesagt. Von Rabbi Salomo bar Simeon. Hier, lest, Herr Erzbischof:«
 
    Emicho, der Feind aller Juden - mögen seine Gebeine in eiserner Mühle zermalmt werden -, war der schlimmste aller Bedränger, der weder Greis noch Jungfrau schonte und nicht für Kind noch Säugling noch Kranke hatte Erbarmen, der das Volk Gottes zertrat wie Staub, der die Jünglinge schlug mit dem Schwerte und schlitzte schwangere Frauen auf. Und die Frauen gürteten mit Kraft ihre Lenden und schlachteten ihre Söhne und Töchter und dann sich selbst; viele Männer stärkten sich und schlachteten ihre Frauen, ihre Kinder und ihr Gesinde; die zarte und weichliche Mutter schlachtete ihr Lieblingskind; alle erhoben sich, Mann wie Frau, und schlachteten einer den anderen. Die frommen Frauen boten eine der anderen den Hals dar zur Opferung für die Einheit des göttlichen Namens. Der Mann wurde geschlachtet von seinem Sohn oder Bruder, der Bruder von seiner Schwester, die Frau von ihrem Sohn oder ihrer Tochter, der Bräutigam von seiner Braut, der Verlobte von seiner Verlobten -, einer schlachtete, der andere wurde geschlachtet, bis Blut zu Blut zusammenfloss und sich vermischte; sie wurden geschlachtet um der Einheit des herrlichen und furchtbaren göttlichen Namens willen. Warum verdunkelte sich nicht der Himmel, warum zogen die Sterne ihren Lichtglanz nicht ein, und Sonne und Mond, warum verfinsterten sie sich nicht an ihrem Gewölbe, als an einem Tag, dem dritten des Siwan (d. i. der 25. Mai der Christen) tausendeinhundert heilige Personen ermordet und hingeschlachtet wurden, so viele Kleine und Säuglinge, die noch nicht gefrevelt und gesündigt, so viele arme und unschuldige Seelen! Willst du hierbei an dich halten,

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