Jerusalem
Betet für mich.«
Rutgar nahm ihm die Bündel ab, hängte sie über die Kruppe seines Rappen und packte den Zügel dicht am Kopf des Tieres.
»Lasst uns gehen, Verehrungswürdiger«, sagte er.
Peter segnete die Umstehenden und begann die lange Gasse abzuschreiten. Die Pilger riefen ihm Bitten zu, beschworen ihn zu bleiben, hielten ihm Becher voll Wein entgegen. Ab und zu blieb er stehen, segnete, trank, redete ein paar Worte, tröstete und lächelte. Eine Stunde verging, ehe er und Rutgar durch den schmalen Spalt in den wiederhergestellten Palisaden auf den Hang hinaustraten.
»Warum kommst du nicht mit mir, Jean-Rutgar?«, sagte Peter nach einigen Dutzend Schritten. Er drehte sich um und winkte mit Tränen in den Augenwinkeln.
»Weil ich sehen und aufschreiben will, was sich hinter den Hügeln versteckt«, antwortete Rutgar. Er lachte kurz. »Keine Sorge, ich werde schon auf mich achtgeben. Ich bin längst nicht so vermessen und so tollkühn wie die Grafen.«
Eines der Schiffe hatte schon abgelegt, der Kapitän der anderen Galeere wartete. Rutgar hatte erfahren, dass einige Ritter und ihre Kriegsknechte einen Teil der Beute an die Schiffsbesatzungen verkauften oder gegen Dinge eintauschten, die sie brauchten: Wein, Pfeile oder Proviant. Rutgar hatte den guten Wein in Ziegenbälgen mit eigenen Tetarteronen von Seeleuten gekauft, vor wenigen Nächten, in der Bucht von Nikomedia. Die Hufe des Esels und des Rappen klapperten auf den Brettern des Stegs, als sich Peter und Rutgar der Planke näherten, die an Bord führte. Einige Seeleute standen an den Tauen, Kapitän und Steuermann lehnten auf der Bordwandkante und starrten die beiden mit unverholener Neugierde an.
Peter schulterte seine Bündel, segnete Rutgar und sagte: »Versprich mir, dass du dich nicht den Plünderern anschließt. Dass du keine der Gräuel begehst, mit denen sie prahlen.«
»Ich verspreche es dir.« Rutgar packte Peters Handgelenk und schüttelte den Unterarm. »Ich versuche, alles zu sehen und nichts Unsinniges zu tun.«
»Und schicke Boten, oder komm selbst, wenn mein Pilgerheer Hilfe braucht!«
»Ich schwöre es!«
Peter schob sich Schritt um Schritt die schräge Planke in die Höhe. Das Holz federte unter seinen bloßen Füßen. Als er auf den Planken stand, setzte er die Bündel ab und grüßte Rutgar ein letztes Mal. Der Junge zog den Esel ins Innere des Schiffes und kam kurz darauf wieder herausgerannt. Kommandos ertönten, die Tauschlingen klatschten ins Schilf, die Ruderriemen klapperten und senkten zischend ihre Schaufeln ins Wasser. Als das Schiff sich vom Hafensteg entfernte, stand Peter im Heck und blickte starr auf den Hang, die Palisaden und die Rauchsäulen des entschwindenden Lagers von Civetot.
Rutgar zog sich auf den Rücken des Rappen und ritt den Hang hinauf, durch den Graben und durch die Lücke der zugespitzten Baumstämme. Später schärfte er seine Feder, verdünnte die Tinte im Krüglein und schrieb auf sein Pergament:
Jean-Rutgar aus Les-Baux schreibt an Bruder Rasso und Bruder Odo zu Cluny in der Grafschaft Mâcon: Zur Mitte des Erntemonds, nachdem der erbärmliche Heerhaufe nach Asien gebracht worden war, traf ein schweres Zerwürfnis die Pilger aus drei Ländern. Ritter Rainald führte alle Bewaffneten der Deutschen und der Italiener an, und nach der Absetzung, die man Peter dem Einsiedel angedeihen ließ und sich all die vielen Zehntausend Pilger unter mancherlei Beschwer und Nöten von Nikomedia nach Kibotos begaben, besprachen sich die Franzosen untereinander und fragten Gottfried Burel, ob er die dritte Gruppe der Ritter und ihrer Kriegsknechte anführen wollte.
Kaiser Alexios hatte Peter, der alle Pilger anführte, den Befehl gegeben, ruhig im Land zu leben und auf die Heere des Papstes zu warten, aber weil ihm die Fremden nicht gehorchten, verließen sie die befohlene Ordnung und suchten den Gegner. Da sie auf kein Seldschukenheer trafen, verleitete ihre Beutegier sie dazu, Dörfer und Siedlungen zu überfallen, zu töten, zu plündern und zu brandschatzen. Zuerst führten sie ihre Beutezüge ins nahe Land, danach wurden sie kühner und gieriger und drangen in das Gebiet ein, das die Seldschuken besetzt hatten. Obwohl sie wussten, dass sie unsere griechischen Christen beraubten, kümmerte es sie nicht.
Als die Pilger nach einigen Tagen nach Kibotos kamen und es mit viel Fleiß und Anstrengung in Besitz nahmen, um nach Kukupetros' Befehl dort zu warten, hatten die Seldschuken in ihrer
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