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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Peter erschüttert. »Ich führe abertausend Pilger. Was soll ich im Palast?«
    »Du sollst, sage ich, an den Hof des Kaisers gehen, als unser Vertreter, und dort mit allen Kräften versuchen, uns zu unterstützen. Wir haben mit dem Kapitän dort geredet - er wird dich mitnehmen. Mitsamt deinem heiligmäßigen Esel.«
    Peter war aufgestanden, blickte Rudolf von Brandis verständnislos ins graubärtige Gesicht und begann zu schwanken. Mit drei Schritten war Rutgar bei ihm und packte ihn an den Schultern. »Dass du an der Seite des Kaisers auf das Heer wartest und dich um unser Wohlergehen kümmerst, ist wichtiger als dein Predigen und die Messfeiern. Dafür haben wir noch andere Priester.«
    Heinrich von Schwarzenberg funkelte Peter an. Der Eremit atmete schwer, seine Gesichtsfarbe wechselte ins Graue, sein Bart bebte. Wieder wanderte sein Blick, heftete sich zuerst fragend, dann verzweifelt nacheinander auf die Fürsten.
    »Das Heer der waffenlosen Pilger«, brachte er hervor und hob die Arme, »wird nur auf mich hören, Ihr Herren. Sie sind mir bis hierher gefolgt, weil Gott sie durch mich und meine schwachen Worte lenkt. Und sie werden mir ihre Gefolgschaft nicht aufkündigen.«
    »Das war bisher richtig so, Prediger.« Walter Sans-Avoir stemmte die Fäuste in die Seiten. »Das ist nun nicht mehr dein Pilgerheer. So viele Pilger werden dich mit Dank überschütten, wenn sie dich als ihren Fürsprecher in Konstantinopel wissen, o Kukupetros.«
    »Ich will keinen Dank!«, rief Peter und riss sich von Rutgar los. »Ihr werdet tun, was Ihr Euch vorgenommen habt, und nicht auf meine Worte hören. Nun gut, dann fahre ich morgen hinüber zum anderen Ufer und werde beim Basileus um Proviant und Waffen betteln.« Er zeigte den Grafen die Fäuste, starrte sie verwirrt an und öffnete die geballten Hände, dann rief er: »Mit den Edlen, die Gottfried von Bouillon begleiten, komme ich wieder und werde an der Spitze dieses Heeres reiten - auf meinem braven Esel!« Er nickte den Grafen zu, senkte den Kopf und drehte sich um.
    Mürrisch, aber zufrieden sagte Walter Sans-Avoir: »Morgen wirst du uns verlassen, Peter von Amiens.«
    Peters Schultern zuckten. Seine Finger nestelten unruhig am Knoten des abgenutzten Zingulums. Schritt um Schritt ging er aus dem Lichtschein der Fackeln ins Dunkel zurück. Im Lager war es totenstill geworden. Die Fürsten nickten einander zu und entfernten sich. Gottfried Burel, die Daumen vor dem Bauch im Waffengurt, betrachtete Peter und Rutgar. Es schien, als wolle er etwas Tröstendes sagen. Aus dem Halbdunkel ertönte Rutgars Stimme. »Ihr erlaubt, Herr Graf, dass ich morgen den verehrungswürdigen Prediger aufs Schiff geleite?«
    »Nichts spricht dagegen. Gehst du mit ihm zum Kaiser?«
    »Nein, Herr Graf«, sagte Rutgar. »Auf dem Schiff ist der Verehrungswürdige sicher. Aber ...«
    »Ja?«
    »Wenn Ihr Eure Bewaffneten wieder anführt, um im unwegsamen Land den Feind unseres Glaubens zu suchen - darf ich in Eurem Tross reiten? Mit Schwert und Schild kann ich gut umgehen.«
    Gottfried Burel antwortete ohne zu zögern. »Es erstaunt mich ein wenig. Aber wir sind um jedes Schwert und jeden Reiter dankbar. Jeder, der einen Türken erschlägt, stärkt uns im Kampf für den wahren Glauben.«
    Er nickte, drehte sich um und stapfte mit rasselnden Sporen davon.
    Ruhig, unbetont schloss Rutgar: »So sei es. Amen.«
 
    Zwischen dem Nachtlager Peters des Eremiten und dem Tor, das sich zum Uferhang öffnete, hatte sich eine Gasse in der Menschenmenge gebildet. Priester und andere Getreue umstanden schweigend und mit verschlossenen Mienen den Prediger. Rutgar half ihm, die wenigen Habseligkeiten einzupacken, und knotete den Riemen um das Bündel. Peter streichelte den Hals seines Esels und sprach leise in dessen linkes, zuckendes Ohr. Endlich hob der Eremit den Kopf, strich mit den Fingern durch den Bart und wandte sich an seine Gefolgschaft.
    »Ich habe kaum geschlafen«, sagte er und rieb seine Augen. »Ich habe nachgegrübelt, und dann schickte mir Gott wieder einen Traum. Vor dem Thron des Kaisers Alexios kann ich für euch zahlreiche Vorteile erbitten; hier können wir nur darum beten.« Er machte einige zögernde Schritte und gurgelte einen Rülpslaut in den ausgefransten Kukullenärmel. Ein Junge führte den Esel zur nächsten Grasfläche und auf den Durchlass zu. »Ich versprech's, und ich schwöre es: Mit dem großen Ritterheer komme ich wieder zu euch allen zurück und führe euch. Deus lo vult!

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