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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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muss den Dreck ihrer Finger von mir abwaschen. Ich will nicht, dass mich ein Mann anfasst, wenn ich es nicht erlaube.«
    Rutgar zog ein leidlich sauberes Tuch aus dem ledernen Beutel und warf es ihr zu. Chersala streifte das Hemd von ihrer Schulter, drehte sich um und ging einige Schritte weit in der Dunkelheit zur Quelle. Rutgar hob den Kopf und betrachtete die dunklen Flecken des Mondes und den Weg des Gestirns hinter dem Geäst. Die Geräusche sagten ihm, dass sich Chersala wusch; dabei summte sie leise eine unbekannte Melodie.
    In dieser Nacht träumte er von den Rittern, die um hoch lodernde Lagerfeuer saßen und deren Gedanken um den nächsten Beutezug kreisten.
 
    Rainald, der Normanne aus Italien, starrte in die Flammen und spürte die Hitze des Feuers auf der Haut. Die Nacht unterhalb der Palisaden von Civetot war fast windstill; gewaltige Schwärme Funken wirbelten in die Dunkelheit. Ritter Rainald ließ die kostbaren Steine in seinen Ringen funkeln und sagte widerstrebend:
    »Ihr habt recht, meine Herren. Wir haben gesehen, dass Eure ... bewaffneten Erkundungsritte ins Land der Heiden ertragreich waren. Viel Proviant gelangte so in unser Lager.«
    Heiseres Gelächter antwortete ihm. Krüge und Becher klapperten, als die Knechte den Rittern Wein nachschenkten. Aus einigen Zelten drang unterdrücktes Stöhnen.
    Rainald, der wie alle anderen Kettenhemd und Stiefel abgelegt hatte, nickte und fuhr fort: »Ihr habt Euer Mütchen gekühlt. Aber jetzt ist es an uns, in Augenschein zu nehmen, wie das Land unserer Durchreise beschaffen ist.«
    »Da gibt es viele Straßen und wohl noch hundert Dörfer«, sagte Fulk »Foucher« von Orléans. Aus seinem Bart tropfte Wein auf seine Zehen. Sein Haar reichte bis zum Gürtel. »Werft Ihr uns vor, allzu habgierig gewesen zu sein?«
    »Gott bewahre, Graf Foucher«, sagte Walter Sans-Avoir. »Ich warne nur vor allzu großer Kühnheit. Ihr habt erlebt, dass die Ungläubigen wahrlich gute Kämpfer sind.«
    »So ist es. Wir haben sie trotzdem in Stücke gehauen.«
    Die Heerführer saßen fast vollzählig um das große Feuer. Die herbeigetriebenen Herden und der Proviant hatten die Pilger, deren Zahl fünfundzwanzigtausend nur wenig unterschritt, satt und zufrieden gemacht; das Land an der Küste war binnen zweier Wochen von den Tieren des Pilgerzugs und den Zehntausenden kahl gefressen worden. Unzählige große Büsche und Bäume waren zu Feuerholz zerhackt und zersägt worden. Die Priester hatten Dankesmessen für die Berittenen und das nimmermüde Fußvolk gelesen.
    Das frische Holz knackte, spie Funken und brannte zischend. Rudolf von Brandis bat mit erhobenem Becher, aus dem tiefroter Wein schwappte, um das Wort.
    »Wenn Ihr prophezeit, dass wir bald von den Türken belästigt werden, müssen wir wissen, auf welchem Schlachtfeld wir kämpfen werden!«
    »Da gibt es kein Schlachtfeld!«, rief Walter Sans-Avoir. »Nur Wildpfade, Ziegenpfade, Herdenwege, drei Ellen breite Sandstreifen, die wir hochfahrend als Straßen bezeichnen, Schluchten, Hohlwege, undurchdringlicher Wald - kaum etwas anderes.«
    »Nur um die Dörfer herum ist das Land glatt und eben«, fügte Reinhold von Breis hinzu. »Und überaus fruchtbar.«
    »Und auch am Seeufer, vor den dicken Mauern Nikaias!«
    Gottfried Burel schlug sich klatschend auf die Schenkel. »Da haben wir noch viele Dörfer und Weiler gesehen, die auf unseren Besuch warten.«
    Hugo von Tübingen winkte zu Ritter Rainald hinüber und rief:
    »Wenn wir die Männer zusammenrechnen, die uns gehorchen - und das hab ich getan -, sind wir sechstausend Pilger in Waffen! Wer könnte uns widerstehen?«
    Unaufhörlich war die Zahl derjenigen Pilger angewachsen, die eigene Waffen besaßen, von den Schmieden und Schwertfegern instand gesetzt und geschärft. Ebenso gab es seit den ersten Kämpfen, in denen Beute gemacht worden war, mehr Berittene; aber viele Reiter besaßen zwar ein Pferd oder einen Maulesel, aber keinen Sattel. Der Normanne Rainald antwortete wohlgelaunt:
    »Wenn wir uns einig sind - niemand kann uns besiegen.«
    »Warum berennen wir nicht die Stadt? Nikaia, groß und reich?«, rief Walter von Teck. »Dort sollten wir in Ruhe auf das Heer der hohen Herren warten! In den prunkvollen türkischen Häusern und Palästen, verwöhnt von den Sklavinnen!«
    Die Anführer lachten, stießen einander in die Rippen und schlugen sich auf die Schultern. Ohne eigene Verluste, im Land der verhassten Ungläubigen, konnten sie erleben, dass ihre

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