Jesses Maria - Hochzeitstag
geschaffen, die es nicht geben müsste. Die Perversen und die Ehemänner reden sich ihre sogenannten Bedürfnisse doch nur ein. Und dass es heute Mode ist, im Puff zu vögeln, das macht es noch viel ekelhafter. Früher gingen da nur Kerle hin, die keine Frau hatten oder die den Hals nicht voll kriegten, heute ist es modern, verstehst du, modern ist es, in den Puff zu gehen!“
Ich hab nichts gesagt. Heidis Standpauke hatte mich total überrumpelt. Heidi, der Moralapostel.
Heidi, die mir ein paar Tage vorher im Vertrauen erzählt hatte, dass sie mit Uwe nur ab und zu schläft, damit der Haussegen nicht schief hängt. Heidi, die wörtlich gesagt hatte: „Die paar Minuten samstags nach dem Baden reiße ich auf einer Arschbacke ab. Dann denke ich an James Bond, und esist nicht mehr ganz so öde.“
Ich hatte sie gefragt: „Warum verlässt du Uwe denn nicht, wenn du ihn gar nicht mehr liebst?“
Sie starrte mich an und sagte: „Über zwanzig Jahre habe ich es mit Uwe ausgehalten, von morgens bis abends geschuftet, die Kinder großgezogen, und jetzt, wo die Schulden fast bezahlt sind, und es uns endlich ein bisschen besser geht, jetzt soll ich ihn verlassen? Nein, meine Liebe, jetzt sind wir da, wohin ich immer wollte, und das werde ich bestimmt nicht wegen Sex aufgeben. Dafür war mein Weg dahin zu hart.“
Und dieselbe Heidi redete mit solchen Worten über Frauen, die ihren Körper verkauften? Das konnte ich irgendwie nicht auf Jeanette sitzen lassen. Ich stand auf, nahm meinen Schlüssel und ging. In der Tür drehte ich mich noch mal um und konnte mir nicht verkneifen zu sagen: „Manche Frauen kosten dreihundert die Stunde. Andere kosten ein Haus und einen Zweitwagen.“
Bei Heidi hatte ich danach verschissen bis in die Steinzeit, aber das war mir egal.
Und immer wieder geht die Sonne auf
Nun bin ich mit Tamara im Urlaub. Damit ich auf andere Gedanken komme, sind wir nach Spanien geflogen.
Last Minute nach Torrox an der Costa del Sol. Das ist eine deutsche Seniorenresidenz in Andalusien, Südspanien.
Wir sind von Köln nach Malaga geflogen und dann mit einem sehr modernen, klimatisierten Bus bis nach Torrox Costa. Hier sieht es sehr anders aus als in allen deutschen Städten, die ich kenne. Torrox Costa ist ein gelber Ort mit dunklem Strand.
Die paar Hochhäuser in Strandnähe stören mich überhaupt nicht, weil wir in einem dieser Häuser wohnen. Man guckt ja raus und mir ist die Aussicht wichtiger als die Draufsicht. Daran merkt man doch sofort, dass man im Ausland ist und dass reisen bildet, denn in Deutschland ist die äußere Fassade das wichtigste.
Wir hatten einen ruhigen Flug mit einer Pilotin, die Sandra Sowieso hieß. Das hat mich zuerst sehr verunsichert, weil ich, wenn ich schon fliegen muss, männliche Piloten irgendwie besser finde. Jemand, der Sandra Sowieso heißt, klingt nicht so Vertrauen erweckend wie jemand, der mit tiefer Stimme sagt: „Meine Damen und Herren, willkommen an Bord der Air Berlin, hier spricht ihr Flugkapitän, mein Name ist Wolfgang Schneidereit.“ Aber Pilotin Sandra Sowieso hat alles gut gemacht, so gut, dass die Passagiere am Ende geklatscht haben.
Nun haben wir also die Ferienwohnung in der siebten Etagebezogen, anschließend kurz das Meer und den Strand besichtigt, und jetzt sitzen wir an der Promenade und trinken kalten Wein.
Eben wollte ich aufs Klo, aber Tamara war vor mir da und hat mich gewarnt: Sie hat dort eine Kakerlake gesehen, die war so groß wie ein Hamster. Und weil der Wirt Willem heißt, nennen wir das Lokal nun Kakerlakenwilli und finden das lustig. Die Kakerlake stört mich hier komischerweise gar nicht, die ist drin auf der Toilette und wir sitzen draußen und trinken Wein aus sauberen Gläsern und aufs Klo kann ich später zu Hause gehen.
Ja, hier ist noch frei.
Ehepaar, deutsch, Mitte sechzig. Beide korpulent. Die sind schon länger hier, das erkenne ich am Bräunungsgrad.
Aha, sie bestellen bei Kakerlakenwilli auf Spanisch, dann kennen sie sich hier wohl gut aus.
Ihre weiße Capri-Hose und das türkisfarbene Top scheinen in Torrox Costa große Mode zu sein, denn fast alle Frauen, die an uns vorbeigehen, tragen helle Hosen und zu enge pastellfarbene Shirts mit dünnen Trägern. Bei manchen sieht man die Träger nicht, weil sie im üppigen Schulterfleisch verschwinden.
Mir fällt auf, dass die meisten Frauen die Füße schön haben, mit Nagellack und tipptopp gepflegten Hacken. Die Männer, fast alle in Bermudas, zu kurzen Polohemden,
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