Jesses Maria - Hochzeitstag
fremder Mann, der sie mit riesigen Augen anstarrte. Sein Mund stand offen.
Tante Anni schrie gellend auf und sprang aus dem Audi. Hektisch sah sie sich auf dem Parkplatz um. Der Audi mit Onkel Günter stand genau eine Reihe weiter vorn.
Tante Anni flitzte hin, sprang ins Auto wie ein junges Ding und schrie: „Fahr, Vatti, fahr, fahr sofort los! Ich erklär dir das später!“
Als Onkel Günter Vollgas gab, quietschten die Reifen des Audi 80, Onkel Günters Hut fiel ihm von der Glatze und der Wackeldackel auf der hinteren Ablage flog mit Karacho gegen die Heckscheibe.
Tante Anni krallte sich am Sitz fest und hatte Schnappatmung. Immer wieder drehte sie sich um und spähte panisch durch die Fenster.
„Wie peinlich! Mein Gott, wie peinlich!“, stammelte sie ununterbrochen. Erst als die beiden zu Hause auf den Hof fuhren, konnte sie Onkel Günter stockend erzählen, was passiertwar.
Sie gingen ins Haus. Während Tante Anni mit immer noch zitternden Händen ihren Mantel auszog und zweimal vergeblich versuchte, ihn auf den Kleiderbügel an der Eichengarderobe zu hängen, sagte Onkel Günter: „Nun beruhige dich mal, Muttichen, ist doch alles halb so wild, den Mann siehst du doch nie wieder.“
Ihr Herzschlag beruhigte sich langsam wieder. Sie entspannte sich. Günter hatte ja recht. Sie lächelte erleichtert.
Es klingelte und Tante Anni öffnete und das Lächeln gefror und ging übergangslos in einen spitzen Schrei über.
Vor ihr stand der Mann, in dessen Auto sie eben gepupst hatte. Er hielt ihr eine Krokotasche entgegen und sagte: „Ich wollte Ihnen nur Ihre Tasche bringen!“
Was wirklich zählt auf dieser Welt
In diesem Lied singt Udo Jürgens von Sehnsucht, Träumen, Freunden, jemandem, der zu dir hält …
Dabei muss ich an Conny und Heinzi denken.
Nein, Conny hatte mich nicht sofort angerufen, obwohl ich das von ihr erwartet hätte. Erst nach über drei Wochen meldete sie sich und kreischte euphorisch in den Hörer: „Maria, Liebelein, ich muss dir unbedingt von Heinzi erzählen! Das ist der süßeste, den ich je hatte!“
So? Naja, das hat sie bisher noch bei jedem gesagt.
„Seit wann? Seit genau sechsundzwanzig Tagen. Und, Maria, ich sage dir, diese Tage gehören zu den bisher schönsten meines Lebens!“
Aha. Wenn sie so drauf ist, reagiert sie nur auf Ein-Wort-Sätze. Also sagte ich bloß: „Warum?“
„Warum? Ganz einfach, weil ich endlich wieder jemanden habe, an dem ich mich festhalten kann. Für den ich da sein kann. Er vermittelt mir so ein warmes Gefühl geborgener Ruhe. Maria, verstehst du das?“
„Jepp.“
„Also, zuerst hab ich mich in seine braunen Augen verliebt. Ja, ja, ich weiß, dass ich früher immer gesagt habe, dass ich blaue Augen am schönsten finde. Aber: Blaue Augen, Himmelssterne, küssen und poussieren gerne, grüne Augen, Froschnatur, von der Liebe keine Spur. Braune Augen sind gefährlich, aber in der Liebe ehrlich. Kennst du das noch?Wir haben es in der Schule immer gesungen, und es passt heute noch. An den alten Weisheiten ist immer was Wahres dran. Jedenfalls konnte ich seinem Blick nicht eine Sekunde lang widerstehen.“
Conny war so aus dem Häuschen, dass sie mich überhaupt nicht zu Wort kommen ließ.
„Ich habe ihn sofort mit nach Hause genommen, und er ist quasi direkt bei mir eingezogen.“
„Du hast ihn mitgenommen? In deine Wohnung? So schnell? Bist du verrückt geworden?“
Sie kicherte: „Maria, er hat sich sofort seinen Stammplatz auf dem Sofa gesichert, wie ein alter Ehemann.“
„Conny, du musst in deinem Alter wirklich ein bisschen mehr auf die Moral achten!“
„Nein, das ist nicht unmoralisch, Maria, das ist schön. Ach, es ist so gemütlich, wenn wir zusammen fernsehen oder wenn ich ihm etwas vorlese. Auch wenn er dabei meist einschläft. Dann schleiche ich mich ganz leise aus dem Zimmer und gehe ins Bett. Maria, es dauert keine zehn Minuten, dann kuschelt er sich neben mich. Er braucht diese nächtliche Nähe genauso wie ich.“
„Das ist ja was ganz Neues. Sonst willst du doch beim Frühstück immer alleine sein, weil du es nicht schaffst, dich vorher zu schminken“, sagte ich, aber sie hörte mir überhaupt nicht zu und quatschte einfach weiter.
„Neulich war Heinzi krank. Wie der sich aufführte, Maria, du glaubst es nicht, typisch Mann, sozusagen. Naja, er hatte dann diesen Leidensblick, der Steine erweichen kann, unddann lag er den ganzen Tag auf dem Sofa und sah fern. Ich war beim Arzt und hab ihm Medikamente
Weitere Kostenlose Bücher