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Jesus liebt mich

Jesus liebt mich

Titel: Jesus liebt mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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zahlen› schreien!», kam die Antwort aus dem Maschinenraum.
    «Wir haben keine acht Minuten, der erzählt uns was vom Himmelreich!»
    «Dann sind wir verloren, Captain.»
     
    Da ich nicht abhauen konnte, gab es nur eine Alternative. Ich musste das Thema wechseln. Krampfhaft suchte ich nach einer Abfahrt aus dem Gespräch und fand eine: «Oh, schau mal, Joshua, da pinkelt einer in den Busch.»
    Zugegeben, es gibt elegantere Gesprächsabfahrten.
    Aber tatsächlich: Am Seeufer strullte ein Obdachloser in einen Dornbusch. Ja, selbst so ein idyllischer Ort wie Malente hatte Arbeitslose, Hartz-I V-Empfänger und Leute, die sich in der Fußgängerzone angeregt mit Laternenpfählen unterhalten.
    «Dieser Mann ist ein Bettler», stellte Joshua fest.
    «Ja, das ist wohl wahr», erwiderte ich.
    «Wir müssen mit ihm das Brot teilen.»
    «Was?», rief ich erstaunt.
    «Wir teilen mit ihm das Brot», wiederholte Joshua.
    «Brot teilen?», dachte ich. «Das macht man doch nur mit Enten.»
    Joshua stand auf und wollte tatsächlich zu dem etwas dicklichen,unrasierten Mann gehen und ihn zu uns an den Tisch holen. Dieses Date war drauf und dran, sich zu einem Höllen-Trip zu entwickeln.
    «Wir sollten nicht das Brot mit ihm teilen», sagte ich mit sehr lauter, leicht kieksender Stimme.
    «Nenne mir einen Grund, warum nicht», antwortete Joshua ganz ruhig.
    «Ähem», ich suchte nach einem vernünftigen Argument, fand aber nur: «Wir   … wir haben gar kein Brot, nur Pizza.»
    Joshua lächelte: «Dann teilen wir eben die Pizza.» Mit diesen Worten ging er zu dem Obdachlosen und führte ihn zu uns an den Tisch.
    Der Penner, der sich selbst Frank nannte und wohl so circa Ende dreißig sein mochte, hatte eine etwas andere Vorstellung vom Teilen als ich: Er nahm unsere Pizzen und ließ uns nur den in Vinaigrette ertränkten Beilagensalat. Dabei erzählte er, dass er letztes Jahr im Knast war, weil er aus Geldmangel einen Telekomladen überfallen hatte.
    «Wieso denn einen Laden der Telekom und keine Bank?», fragte ich.
    «Ich fand, dass die das mit ihren unübersichtlichen Tarifen verdient haben.»
    Man konnte Frank einiges vorwerfen, zum Beispiel sein Desinteresse an Deos, aber seine Logik hatte etwas Stichhaltiges.
    «Wie bist du in Not geraten?», fragte Joshua, nachdem Frank ihm erklärt hatte, was ein Telekomladen überhaupt ist. Joshua schenkte dem Penner dabei noch etwas von dem Wein nach. Er zeigte Mitgefühl. Zu viel Mitgefühl, wie ich fand. Ich beugte mich zu ihm hinüber und sagte: «Lass uns zahlen und gehen.»
    Aber Joshua stellte klar: «Wir brechen noch weiter mit ihm das Brot.»
    Wütend dachte ich bei mir: So wie der Typ stinkt, brech ich gleich noch ganz andere Dinge.
    Frank antwortete indessen auf Joshuas Frage: «Ich habe meine Arbeit bei der Versicherung verloren.»
    «Und warum?»
    «Ich bin nicht mehr dort erschienen.»
    «Gab es dafür einen Grund?», fragte Joshua.
    Frank zögerte, anscheinend hatte er eine schmerzhafte Erinnerung.
    «Du kannst dich ruhig offenbaren», sagte Joshua mit seiner angenehm beruhigenden Stimme, die einem signalisierte: «Mir kannst du vertrauen. Du wirst nicht verletzt.»
    «Meine Frau ist bei einem Autounfall gestorben», erklärte Frank.
    Ach du meine Güte!, dachte ich.
    «Und ich war schuld.»
    Jetzt hatte ich Mitleid mit Frank und schenkte ihm selbst Wein nach.
    Und mir auch.
     
    Frank erzählte von seiner tiefen Liebe zu seiner Frau und von dem schrecklichen Abend des Unfalls. Es war das allererste Mal, dass er mit jemandem so ausführlich darüber sprach. Frank fuhr damals mit seiner Frau Caro auf einer Landstraße zu einer Party. Auf der gegenüberliegenden Spur machte ein Handelsvertreter ein Überholmanöver. Die Autos prallten frontal zusammen, Caro war sofort tot. Dabei hatte sie noch so viel vor in ihrem Leben: Zum Beispiel hatte sie gerade einen Bauchtanzkurs begonnen.
    «Bist du denn zu schnell gefahren?», wollte ich wissen.
    Frank schüttelte den Kopf.
    «Hättest du denn anders reagieren können?», hakte ich nach.
    Er schüttelte wieder den Kopf.
    «Warum hast du dann Schuld?», fragte ich schluckend.
    «Weil   … weil sie gestorben ist und nicht ich», antwortete er und begann zu weinen. Das erste Mal hatte er jemandem von seinen Schuldgefühlen erzählt, und das erste Mal konnte er seiner Trauer freien Lauf lassen. Joshua nahm seine Hand, ließ Frank eine ganze Weile lang weinen und fragte dann: «War deine Frau ein guter Mensch?»
    «Sie war die Beste»,

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