Jesus liebt mich
Marie.»
Dabei lächelte er mich das erste Mal an. Es war nur ein kleines Lächeln. Also bei weitem noch kein Lachen. Aber es war echt göttlich.
Mit diesem Lächeln hätte er mir noch ganz andere Dinge als Wärmedämmungen verkaufen können.
11
«Mein Gott, warum habe ich ihn nur nach einem Date gefragt?», jaulte ich auf, als ich wieder halbwegs bei Sinnen war. Ich stand vor dem Badezimmerspiegel und versuchte, bevor ich zu dem Abendessen ging, mein von der ganzen Heulerei aufgequollenes Gesicht durch Schminke so aufzubessern, dass es nicht mehr aussah wie New Orleans nach dem Hurrikan Katrina.
«Dieser Zimmermann ist doch so gar nicht meine Zielgruppe», erklärte ich Kata. «Der hat einen Bart. Ich steh überhaupt nicht auf Bärte.»
«Früher fandest du die toll», grinste Kata.
«Da war ich sechs!»
Kata grinste noch mehr und zog mir den Lidschatten nach.
«Und überhaupt», sagte ich, «Joshua kommt aus Palästina. Und singt Psalmen.»
«Du willst sicherlich auf etwas hinaus, verrätst du mir auch, auf was?», fragte Kata.
«Vielleicht ist Joshua ja ein religiöser Spinner? Nachher ist er einer von den Typen, die Flugstunden nehmen und sich dabei nicht fürs Starten oder Landen interessieren, sondern nur für das Kollidieren mit Wolkenkratzern.»
«Schön, wie weltoffen und vorurteilsfrei du bist», meinte Kata.
Ich überlegte mir, ob ich mich für meine Vorurteile schämen musste, kam aber zu dem Ergebnis, dass ich dazu gerade keine Lust hatte. Ich hatte so schon genug, für das ich mich schämen musste, meine Scham-Kapazitäten waren also voll ausgeschöpft.
«Bart und Flugstunden sind doch nur vorgeschoben», meinte Kata, «du hast ein schlechtes Gewissen Sven gegenüber.»
«Es fühlt sich nun mal falsch an, sich zu verabreden», gab ich zu.
«Was ist an ein bisschen Spaß falsch?», wollte Kata wissen.
«Wie kann ich Spaß haben, einen Tag nach der Hochzeit des Grauens?»
«Ganz einfach, du hast Spaß, wenn der Zimmermann dir sein Werkzeug zeigt …»
Ich starrte sie nur durchdringend an, sie hielt den Mund und machte keine Bemerkungen über Hobel.
Ich wandte meinen Kopf wieder zum Spiegel und erkannte, dass Schminke nur so gut sein kann wie das Gesicht, auf dem sie aufgetragen wird.
«Ich sage ab», verkündete ich.
«Und was machst du dann?», fragte Kata.
«Über mein Leben nachdenken …»
«Na, das klingt natürlich nach richtig viel Spaß.»
Sie hatte recht. Ich würde wieder in meinem Bett liegen und darüber nachdenken, dass ich eine neue Wohnung brauchte, aber keine Kohle für Deponat und Makler hatte, weil ich bereits einen großen Kredit für eine Hochzeitsfeier aufgenommen hatte, die ich habe platzenlassen. Das bedeutete in letzter Konsequenz: Ich müsste noch eine Weile bei Papa wohnen und mir weiter anhören, wie Swetlana «Gib’s mir!» schreit und dabei in Frequenzbereiche vorstößt, bei denen Hunde ihren Verstand verlieren.
Kata las förmlich meine Gedanken und sagte etwas sehr Überzeugendes: «Geh zu dem Date. Was Besseres als die Depression findest du überall.»
Ich hatte mich mit Joshua bei Da Giovanni verabredet, einem italienischen Restaurant, das viele Vorteile hatte: Es war idyllisch am See gelegen, hatte sehr gutes Essen, und Giovanni hatte mal Sven die Freundin ausgespannt und jetzt mit ihr vier Bambini. Das bedeutete: Sven boykottierte das Restaurant auf ewig. Er würde mich also garantiert nicht mit Joshua sehen, und wir würden so vermeiden, dass der «Malenter Kurier» morgen mit der Schlagzeile «Amoklauf am See» aufmachte.
Giovanni platzierte mich an einem Tisch auf der Seeterrasse. Kaum hatte ich mich hingesetzt, kam Joshua hinzu. Er hatte exakt die gleichen Klamotten an wie bei der Arbeit, aber wie durch ein Wunder sahen die kein bisschen dreckig aus.
«Guten Abend, Marie», begrüßte er mich und lächelte dabei. Er hatte wirklich ein unglaubliches Lächeln. Ob er sich die Zähne bleachte?
«Guten Abend, Joshua», erwiderte ich die Begrüßung, und er setzte sich zu mir. Ich wartete darauf, dass er etwas in Konversation machte. Aber er sagte nichts, schien einfach zufrieden damit zu sein, nur auf den See zu blicken und dabei die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht zu genießen. Also versuchte ich das Gespräch in Gang zu bringen: «Wie lange bist du denn schon in Malente?»
«Ich bin gestern angekommen.»
Das war überraschend.
«Und du hast gleich den Auftrag für unser Dach bekommen?», fragte ich irritiert.
«Gabriel
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