Jesus liebt mich
blickte verwirrt.
«Du musst deinen Weg gehen und ich den meinen», redete ich weiter.
«Du … du willst nicht bei mir bleiben?», fragte Jesus ungläubig.
«Nein …»
Joshua verstand einfach nicht, worauf ich hinauswollte. Kein Wunder, er hatte ja auch nicht so viel Erfahrung mit dem Abserviertwerden wie ich.
«Wir … passen nicht zusammen», sagte ich die Wahrheit und drosch damit dennoch eine der beliebtesten Schlussmachphrasen.
«Warum denn nicht?», fragte Joshua. Er war schon ein bisschen schwer von Begriff.
Das machte ihn nur noch liebenswerter. Und die ganze Sache für mich umso härter.
Sollte ich jetzt den Altersunterschied vorschieben? Ich war Mitte dreißig, er körperlich auch etwas über dreißig, aber de facto über zweitausend Jahre alt. Oder sollte ich vorschieben, dass ich es nicht wert bin, mit ihm zusammen zu sein, schließlich konnte er Wasser in Wein verwandeln, meine herausragende Fähigkeit hingegen war es, keine herausragende Fähigkeit zu haben.
«Es … es liegt nicht an dir … es liegt an mir», sparte ich die Details aus und merkte dabei, dass ich noch eine weitere beliebte Schlussmachphrase drosch. Wenn ich so weitermachte, würde ich am Ende noch «Wir können ja Freunde bleiben» sagen.
«Das … das … versteh ich nicht», antwortete Joshua.
«Schau mal», versuchte ich zu argumentieren, ohne vonGott zu sprechen, denn ich wollte ja seinen Zorn nicht auf ihn lenken, «selbst wenn du das Jüngste Gericht ausfallen lässt und durch die Welt reist, um die Menschen zu bekehren, würden wir beide so platonisch leben wie du einst mit Maria Magdalena, und ehrlich gesagt, das wäre nichts für mich.»
Dass Kata immer sagte: «Plato war ein Vollidiot», behielt ich dann doch lieber für mich.
«Es wird anders werden als mit Maria Magdalena», widersprach Joshua.
«Ja?» Ich war nun völlig verdattert.
«Ich möchte endlich eine Liebe leben.»
Ich brauchte eine Weile, bis ich diesen Satz auch nur ansatzweise verarbeiten konnte. Joshua meinte es ernst. Das … war … unglaublich … Mir wurde heiß. Mir wurde kalt. Mir wurde wieder heiß. Jetzt hatte ich auch noch die Hitzewallungen einer Frau in den Wechseljahren.
«Ich glaube», erklärte Joshua, «ich habe es verdient, menschliche Nähe zu erfahren wie normale Menschen auch.»
Mein Kuss hatte lange verborgene Wünsche, die sich durch all seine Entbehrungen aufgestaut hatten, freigesetzt. Sämtliche Schutzbarrieren, die er sich einst in seiner Funktion als Messias aufgebaut hatte, waren eingerissen, und seine Gefühle lagen offen da. Er war nun ganz Mensch.
Und wenn ein Mensch Liebe verdient hat, dann er, nach all dem, was er durchgemacht hat.
Gut, vielleicht nicht unbedingt Liebe mit mir …
«Ich bin deine Liebe nicht wert …», sagte ich.
«Jeder Mensch …»
«Jetzt vergleich mich bitte nicht wieder mit dem Papst», unterbrach ich ihn.
«Jeder Mensch, der eine Liebe in sich trägt, wie du es tust, ist etwas Besonderes.»
Nach diesem Satz hatte ich viel größere Hitzewallungen als jede Frau in der Menopause.
Seine Hand berührte nun meine Wange, und sie zu spüren war fast so himmlisch wie unser Kuss.
«Es gibt da einen Wunsch, den ich einst auch bei Maria Magdalena verspürt hatte …»
«Und welchen?», fragte ich, etwas abgekühlter – irgendwann musste man ihm mal beibringen, nicht ständig von seiner Ex zu reden.
«Mein Wunsch ist es …», er stockte, «den wollte ich damals Maria Magdalena gestehen, aber dann sprach sie diese Worte, die mich davon abhielten …»
Dann schwieg er, die Erinnerung schmerzte ihn.
Ich war aber nun viel zu neugierig, wollte wissen, was Maria Magdalena zu ihm gesagt hatte, aber noch viel interessanter war: «Was ist dein Wunsch?»
«Eines Tages …», es kostete ihn unglaubliche Überwindung, diesen Wunsch zu äußern, seine Angst, ebenfalls von mir abgewiesen zu werden, war ganz deutlich zu spüren.
«Eines Tages?», fragte ich mit aufmunternder Stimme und versuchte, meine Aufregung nicht zu zeigen, ich spürte, dass etwas Außergewöhnliches kommen musste.
«… eine Familie zu gründen.»
Mein Herz setzte für einen Moment aus. Das war etwas außergewöhnlich Außergewöhnliches. Eine Familie … Vielleicht mit zwei kleinen Töchtern … Wie ich sie mir immer erträumt hatte.
Für eine Minisekunde sah ich vor mir, wie Joshua und ich in einem wunderbaren umgebauten Reisebus, wie man ihn sonst nur in
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