Jesus von Nazaret
scheint er gar nicht zu hören, stattdessen will er ein groÃes Fest feiern, aus Freude, den verlorenen Sohn wiedergefunden zu haben.
Diese Geschichte von dem Vater, dessen Liebe so groà ist, dass er seinem Sohn nicht nur verzeiht, sondern ihm sogar entgegenläuft und ihn umarmt, wird ergänzt durch ein anderes Gleichnis, in dem es darum geht, wie diese väterliche Liebe weitergegeben werden kann. Darin wird ein Mann von Räubern überfallen und bleibt schwer verletzt am Wegrand liegen. (Lk 10,30-37) Ein Priester kommt vorbei, sieht den Mann, geht aber weiter. Offenbar fürchtet er, dass der Mann tot ist, und einen Toten zu berühren, ist ihm nach dem Gesetz verboten. 66 Ebenso verhält sich ein Tempeldiener. Erst ein Samariter, der auf dieser StraÃe unterwegs ist, hat Erbarmen mit dem verletzten Mann. Er verbindet notdürftig seine Wunden, bringt ihn in eine Herberge und gibt dem Wirt Geld, damit der sich in den folgenden Tagen um den Kranken kümmert.
Der Samariter, obgleich für die Juden ein Ungläubiger, weiÃ, wer sein Nächster ist. Er geht und sieht nicht vorbei. Er hat nicht nur Mitleid und bedauert den armen Mann, sondern handelt überlegt und sinnvoll. Ãberdies belässt er es nicht bei einer spontanen Hilfe, sondern er sorgt dafür, dass der Ãberfallene auch in Zukunft in guten Händen ist. Das Gebot der Nächstenliebe ist also keine abstrakte Forderung. Es ist der Aufruf, ganz praktisch zu handeln, wo Hilfe nötig ist, mit Verstand und Fantasie. Jesus macht aber immer deutlich, dass diese praktische Nächstenliebe genährt wird durch die grenzenlose Liebeeines Vatergottes. Gottesliebe und Nächstenliebe sind untrennbar miteinander verbunden. Und wo diese Doppelliebe der Grundsatz des Handelns ist, dort wird Gottes Wille verwirklicht, dort wird das Gesetz erfüllt. »Gehe hin und tu dergleichen« â mit dieser Aufforderung endet die Geschichte vom barmherzigen Samariter. Jeder soll sich demnach seinem Nächsten zuwenden und ein »Samariter« sein.
Jesus hat diese Liebe vorgelebt. Deshalb musste er Tabus brechen und Gesetze missachten. Das hat ihm viel Zuneigung eingebracht, aber mindestens ebenso viel Feindschaft. Auch über die Tabus, mit denen Frauen damals belegt waren, hat er sich hinweggesetzt. Sogar seinen Jüngern war sein Verhalten nicht geheuer. Als sie aus der Stadt zurückkamen und sahen, dass Jesus mit der samaritischen Frau redete, waren sie ziemlich irritiert. Doch Jesus redete nicht nur mit Frauen, sondern ging auch ansonsten unbefangen und respektvoll mit ihnen um.
Als er bei einem Pharisäer zu Gast war, kam plötzlich eine stadtbekannte Prostituierte zur Tür herein, warf sich vor ihm auf den Boden, trocknete mit ihren Haaren seine von ihren Tränen nassen FüÃe und rieb sie mit einer kostbaren Salbe ein. Der Gastgeber war entrüstet, und noch mehr war er vor den Kopf geschlagen, als Jesus auch noch sagte, dass er dieser Frau dankbarer sei als ihm, seinem Gastgeber. (Lk 7,36-50)
Es muss diese von Karl Jaspers beschriebene »wunderbareUnbefangenheit« Jesu, seine vollkommene Unabhängigkeit, seine völlige Angstlosigkeit und menschenfreundliche Offenheit gewesen sein, die so viele AuÃenseiter und insbesondere Frauen in die Nähe des Mannes aus Nazaret zog. Einige gehörten zum engeren Kreis und begleiteten Jesus »von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf«, wie es im Lukasevangelium heiÃt. (Lk 8,1-3)
Eine dieser Frauen hieà Johanna und war die Frau eines Regierungsbeamten des Landesfürsten Antipas. Mit ihrer Entscheidung, dem Hofstaat, dem sie angehörte, den Rücken zu kehren und sich Jesus anzuschlieÃen, stellte sie sich auf die Seite eines Wanderpredigers, der vom Dienstherrn ihres Mannes als gefährlicher Unruhestifter betrachtet wurde. Es waren sicher schwerwiegende Gründe, die sie dazu bewogen haben, ihr privilegiertes Leben aufzugeben und wie eine Landstreicherin durch Galiläa zu ziehen. Bei Lukas wird nur erwähnt, dass Jesus sie von »bösen Geistern« befreit hat. Heute würde man wohl sagen, dass Johanna in einer tiefen seelischen Krise gesteckt hat und mit Jesu Hilfe wieder herausfand.
Noch hilfsbedürftiger war offenbar eine andere Frau, von der gesagt wird, dass sie von »sieben Dämonen« erlöst wurde. Wie Jesusâ Mutter hieà sie Maria und stammte aus Magdala, einer Stadt am nordwestlichen
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