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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Prinz
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Temperamentsausbruch hat er seinen Standpunkt deutlich gemacht, er hat damit Aufsehen erregt und sich Feinde geschaffen. »Die Hohenpriester aber und die Schriftgelehrten hörten davon und suchten nach einer Möglichkeit, ihn umzubringen«, soheißt es bei Markus. (Mk 11,18) Noch wussten sie nicht, wie sie es anstellen sollten. Denn Jesus hatte inzwischen zahlreiche Anhänger und viele wurden von seinen Worten berührt.
    Um nicht zu sehr ins Visier der Tempelbehörde zu geraten, zog sich Jesus immer wieder nach Galiläa zurück. Mehrere Wege kamen dafür infrage. Er konnte durch das Jordantal gehen oder die Straße entlang der Küste nehmen. Der kürzeste Weg führte durch das Bergland von Samarien. Er wurde allerdings von gesetzestreuen Juden gemieden, da zwischen den Juden und den Samaritern eine jahrhundertelange Feindschaft herrschte. Die Samariter verehrten auch den Gott Jahwe, sie hatten jedoch auf dem Berg Garizim einen eigenen Tempel und eigene Bräuche, was sie in den Augen der Juden zu Abtrünnigen machte.
    Der Evangelist Johannes berichtet, dass Jesus und seine Begleiter auf ihrem Weg nach Norden Samarien durchquerten. (Joh 4,1-26) Diese Strecke kann man gut nachzeichnen. Der Höhenweg durch das Gebirge führte hinab in ein fruchtbares Tal, wo die Stadt Sichem lag und zwei wichtige Karawanenstraßen sich kreuzten. An dieser Kreuzung befand sich ein Brunnen, der Jakobsbrunnen, so benannt nach dem Stammvater Israels, der diesen Brunnen vor dreitausend Jahren angelegt haben soll. 64 Die Gruppe kam in der Mittagshitze hier an, alle waren müde und erschöpft und wollten eine Rast einlegen. DieJünger gingen in den Ort, um etwas zu essen zu besorgen. Jesus blieb und setzte sich auf den Brunnenrand.
    Da kam eine samaritische Frau und wollte Wasser schöpfen. Die Situation, die sich nun ergibt, ist heikel. Denn Jesus ist Jude, und von einem jüdischen Mann wird erwartet, dass er eine fremde Frau nicht beachtet, noch dazu, wenn sie eine Ungläubige ist. Jesus spricht sie an und fordert sie zunächst recht barsch auf, ihm Wasser zu geben. Die Frau wundert sich, dass ein Jude eine samaritische Frau um Wasser bittet. Und noch mehr wundert sie sich, dass dieser fremde Mann von einem »lebendigen Wasser« redet, das auf immer jeden Durst löschen soll. Man kann es ihr nicht übel nehmen, dass sie diese abgehobene Rede nicht versteht, sondern denkt, dass Jesus tatsächlich so etwas wie Wunderwasser besitzt. Das würde sie natürlich gerne haben, denn dann bräuchte sie nicht dauernd zum Brunnen gehen und schwere Krüge schleppen.
    Jesus gibt dem Gespräch nun plötzlich eine andere Richtung, so als hätte er gemerkt, dass er mit seinen rätselhaften Worten über den Kopf dieser Frau hinwegredet. Er wird persönlich. »Geh, ruf deinen Mann, und komm wieder her!«, fordert er sie auf. Die Frau muss aber gestehen, dass sie keinen Mann hat. Und es erschüttert sie geradezu, dass Jesus ihre Lebensverhältnisse kennt. »Denn fünf Männer hast du gehabt«, sagt er zu ihr, »und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann.«
    Jesus sagt das nicht vorwurfsvoll wie ein Sittenwächter. Er stellt nur fest und gibt der Frau sozusagen zu denken. Man spürt förmlich, wie sie in sich geht und über ihr Leben sinniert. Vielleicht überlegt sie, ob es auch eine Art Durst war, der sie von einem Mann zum nächsten getrieben hat, und dass es schön wäre, diesen Durst einmal auf Dauer zu stillen. Anscheinend aber geht ihr das Gespräch zu nah. Sie lenkt es wieder von sich weg auf die Feindschaft zwischen den Samaritern und den Juden und stellt fragend fest, dass die einen Gott im Jerusalemer Tempel und die anderen auf dem Berg Garizim verehren.
    Die religiösen Streitigkeiten zwischen Juden und Samaritern scheinen Jesus nicht zu interessieren. Eines Tages, so meint er, werde man Gott weder im Tempel zu Jerusalem noch auf dem Berg Garizim anbeten. Denn Gott sei »Geist« und man könne ihn darum nur »im Geist« anbeten. Mit anderen Worten: Wenn Gott »Geist« ist, dann ist er überall, und dann kann man ihn auch überall erfahren und zu ihm sprechen. Wichtig ist nicht, wo Gott angebetet wird, sondern wie. Entscheidend ist das innerliche und persönliche Verhältnis zu Gott.
    Die Tempelreinigung und die Szene am Jakobsbrunnen zeigen, dass Jesus kein abgeschlossenes religiöses Wissen

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