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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Prinz
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Ufer des Sees von Gennesaret. Von ihr weiß man nicht viel, lediglich dass sie ein sehr enges Verhältnis zu Jesus hatte und ihm bis zu seinem Lebensende treu war. Trotzdieser wenigen Informationen hat diese Maria Magdalena, wie sie später genannt wurde, über Generationen hinweg die Fantasie der Menschen beschäftigt. Man hat sie, völlig unbegründet, mit der Frau gleichgesetzt, die Jesus mit ihren Haaren die Füße getrocknet hat, und sie so zur Dirne gemacht. Durch die Bekanntschaft mit Jesus soll sie ihre Sünden bereut und Buße getan haben. Der Bestsellerautor Dan Brown hat in seinem Roman Sakrileg , der auf wissenschaftlichen Beweisen gegründet sein soll, Maria Magdalena zur Ehefrau von Jesus gemacht und zur Mutter seiner Kinder. 67
    Das alles sind haltlose Spekulationen, und sie beweisen nur, dass Maria von Magdala eine ideale Projektionsfigur ist, in die man seine Fantasien hineinlegen kann. Eine Frau, die erst Hure war und dann zur Heiligen geworden ist, eignet sich als ideales Vorbild für eine Moral, die Sexualität als Sünde erklärt und ihre Unterdrückung zur christlichen Pflicht macht. Generationen von Jugendlichen, Männern und Frauen haben unter einer solchen Verteufelung der Sexualität gelitten. 68
    Beim biblischen Jesus sind solche Verklemmtheiten nicht zu finden. Sein Umgang mit Frauen ist völlig entspannt. Er tritt nie als Feind der Sexualität auf. »Das Heilige und das Geschlechtliche sind für ihn nicht unvereinbar«, stellt der Theologe Heinz Zahrnt fest. 69 In einem nichtbiblischen Text, der vermutlich erst im zweiten Jahrhundert entstanden ist, heißt es, dass Jesus MariaMagdalena mehr geliebt habe als seine Jünger und sie »oftmals auf ihren Mund« geküsst habe. 70 Diese Stelle ist heftig umstritten. Die einen wollen damit ein reges Sexualleben des Nazareners beweisen. Andere stellen den Text wegen seiner lückenhaften Überlieferung in Zweifel und wollen damit Jesus’ Reinheit verteidigen. Aber fallen nicht beide Positionen hinter die souveräne Freiheit zurück, die Jesus auszeichnet? Was eigentlich ist schlimm an einem Jesus, der eine Frau liebt und das auch mit Zärtlichkeiten zeigt?
    Mit seinem Verhalten hat Jesus den Frauen eine Würde gegeben, die sie zu dieser Zeit nicht hatten. Den Männern waren sie in jeder Beziehung untergeordnet. Schon wenn in einer Familie ein Mädchen geboren wurde, war das wie ein Unglücksfall. Natürlich war es von der Schulbildung ausgeschlossen und durfte auch am religiösen Leben nur passiv teilnehmen. Wenn eine Frau die monatliche Regel hatte, galt sie als »unrein« und durfte nicht den Tempel betreten. In der Synagoge musste sie stets schweigen und auch in der Familie hatte sie nicht viel zu sagen. Bevor sie verheiratet wurde – das konnte ab dem zwölften Lebensjahr geschehen –, gehörte sie dem Vater, später dann war sie Eigentum des Ehemannes. Der konnte sie jederzeit wieder wegschicken. Für den Scheidebrief, den er dazu ausstellen musste, brauchte er keine großen Gründe, es reichte schon ein kleiner Verstoß gegen die Konventionen, nachlassende Attraktivität oder eine angebrannteMahlzeit. Männer durften fremdgehen und mussten nicht mit Strafen rechnen, während bei Frauen auf Ehebruch die Todesstrafe stand.
    Vor diesem Hintergrund muss man es verstehen, warum Jesus die Ehe vehement verteidigt hat. Er wollte die Frauen vor männlicher Willkür schützen, auch davor, irgendwann einfach abgeschoben zu werden. Wer weiß, vielleicht sind auch Johanna und Maria von Magdala auf diese Weise fallen gelassen und zu einem verachteten Sozialfall gemacht worden.
    In Jesus’ Nähe jedenfalls wehte ein anderer Wind. Er setzte sich über die gängigen gesellschaftlichen und religiösen Regeln hinweg und behandelte Männer und Frauen gleich. Das ist ein Verhalten, das bis heute auf Widerstände und Einwände trifft. Schon seinen Zeitgenossen hat Jesus einiges zugemutet. Wenn es darum ging, Menschen aus ihrer gesellschaftlichen und religiös bedingten Isolation und Ächtung zu befreien, hat er sich nicht davor gescheut, Grenzen zu überschreiten, allgemein anerkannte Urteile einfach zu ignorieren und Tabus zu brechen. Dazu boten sich auf seinen Wanderungen jederzeit Gelegenheiten.
    Auch in Kafarnaum, seiner Wahlheimat. Dort, an der Grenze zum Herrschaftsgebiet des Herodessohnes Philippus, gab es

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