Jesus von Nazaret
standen sie vor einem groÃen Problem. Wie sollten sie glaubhaft schildern, was es bedeutet, dass Jesus »auferstanden« ist? Wie sollten sie den auferstandenen Jesus beschreiben? Er ist ja kein Geist oder ein Gespenst, das durch die Luft schwebt und durch Wände geht. Auch kein Zombie, der als lebender Toter herumläuft. Andererseits ist der auferstandene Jesus auch nicht nur eine Einbildung der Jünger, keine Halluzination, die entstanden ist aus ihrem übermächtigen Wunsch, Jesus möchte weiter bei ihnen sein.
Was die Verfasser der Evangelien darstellen wollten, ist ein geistiges Erlebnis, das eben nicht nur subjektiv ist, sondern auch so »wirklich« wie ein Baum oder ein Mensch, den man sieht und den man anfassen kann. Um diese Wirklichkeit glaubhaft zu machen, haben Evangelisten wie Lukas und Johannes den auferstandenen Jesus geschildert wie einen Menschen aus Fleisch und Blut, der aber gleichzeitig wie ein Geist auftauchen und wieder verschwinden kann. Seine Körperlichkeit sollte der Beweis sein für seine Wirklichkeit. In einer Szene bei Johannes isst Jesus vor den Augen der Jünger sogar einen Fisch, um seine Realität zu beweisen, und er fordert den ungläubigen Thomas auf, seine Wundmale zu berühren. Zu solchen drastischen Schilderungen hat Johannes gegriffen, um deutlich zu machen, wie lebendig und anwesend Jesus von jenen Menschen erfahren wurde, denener erschienen ist. Dass man diese Schilderungen nicht wörtlich nehmen darf, davor schützen die Aussagen von Jesus selbst. Immer hat er es abgelehnt, dass Wunder als Beweise für seine Botschaft gelten sollten. Und auch als Auferstandener hat er jene zurechtgewiesen, für die nur das wirklich ist, was sie mit eigenen Augen sehen und mit ihren Händen anfassen können: »Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.« (Joh 20, 29)
Alle Zeugnisse im Neuen Testament zeigen, dass Auferstehung an Glauben gebunden ist oder richtiger gesagt, an Bereitschaft und Offenheit, die zu Glauben werden können. Was am Passahfest oder, wie man später sagte, an »Ostern« passiert ist, das kann nicht historisch bewiesen werden, es erschlieÃt sich allein jenen, die sich von Jesusâ Worten berühren lassen. Darum erscheint Jesus auch nicht seinen Gegnern, nicht Pontius Pilatus und auch nicht dem Hohepriester Kaiphas oder einem Tempelpriester. Für sie war das, was Jesus gesagt hat, nur Gotteslästerung oder gefährlicher Unsinn. Nur wer ein »brennendes Herz« hat und wer sich die Augen öffnen lässt, der kann Jesus »sehen« und ihn »erkennen« â so wie es bei den Emmaus-Jüngern der Fall war. Ihr Beispiel zeigt auch, dass Auferstehung nicht Glauben voraussetzt, sondern erst Glauben schafft. Indem sie sich erinnern, was Jesus gesagt hat, wird er wieder lebendig â und im gleichen Moment verschwindet er.
Der Erste, der über die Erscheinungen des auferstandenenJesus berichtet hat, war der Apostel Paulus. In seinem Brief an die Gemeinde von Korinth, den er ungefähr fünfundzwanzig Jahre nach Jesusâ Tod geschrieben hat, gibt er ein Wissen weiter, das anscheinend schon zum festen Bestand der Jerusalemer Gemeinde gehörte: dass nämlich Christus zuerst Simon Petrus erschienen ist, dann seinen anderen Jüngern und dann noch »fünfhundert Brüdern auf einmal«. Zuletzt, so schreibt Paulus, sei er auch ihm erschienen. (1 Kor 15, 3-8)
Was Paulus meint, ist sein Zusammenbruch vor Damaskus, der sich nur wenige Jahre nach der Hinrichtung Jesu ereignet hat. Als überzeugter Pharisäer und hasserfüllter Feind der Jesus-Bewegung war er unterwegs nach Damaskus gewesen, um eine dahin versprengte Gruppe der Jesus-Leute aufzufinden und unschädlich zu machen. Kurz vor seinem Ziel stürzte er zu Boden. Ein Licht blendete ihn und er hörte eine Stimme. Nach dieser Erscheinung war Paulus nicht mehr derselbe. Aus dem fanatischen Verfolger der »Nazarener« war ein glühender Anhänger des neuen Glaubens geworden. Paulus greift in seinen Briefen zu drastischen Worten, um auszudrücken, wie radikal er sich verändert hat. Sein vorheriges Leben kommt ihm nun vor »wie Dreck« (Phil 3, 8), er fühlt sich wie ein neuer Mensch. Die ganze Wirklichkeit erscheint ihm nun als eine »neue Schöpfung« (Gal 6, 15).
Zentral für diese neue Wirklichkeit ist für Paulus, dass die Menschen, die daran teilhaben, mit Gott
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