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Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
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aus dem 7.   Kapitel sichtbar: „Meine Lehre ist nicht meine Lehre“ (v. 16), sagt da der Herr. Er ist ganz vom Vater her und stellt ihm nichts anderes, nichts bloß Eigenes entgegen. In den Abschiedsreden wird dieses charakteristische Wesen des Sohnes auf den Heiligen Geist ausgedehnt: „Nicht aus sich wird er sprechen, sondern was er hört, wird er sagen“ (16,13). Der Vater sendet den Geist in Jesu Namen (14,26); Jesus sendet ihn vom Vater her (15,26).
    Nach der Auferstehung zieht Jesus die Jünger in diesenStrom der Sendung hinein: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (20,21). Für die Jüngergemeinschaft aller Zeiten muss es kennzeichnend sein, dass sie im Gesandtsein von Jesus her steht. Das heißt für sie immer: „Meine Lehre ist nicht meine Lehre“; die Jünger verkündigen nicht sich selbst, sondern sie sagen, was sie gehört haben. Sie stehen für Christus, so wie Christus für den Vater steht. Sie lassen sich führen vom Heiligen Geist und wissen dabei, dass in dieser völligen Treue zugleich die Dynamik des Reifens wirksam ist: „Der Geist der Wahrheit wird euch in die ganze Wahrheit einführen“ (16,13).
    Die Alte Kirche hat für dieses wesentliche Gesandtsein der Jünger Christi, die Bindung an sein Wort und an die Kraft seines Geistes, die Form der „apostolischen Nachfolge“ gefunden. Das Weitergehen der Sendung ist „Sakrament“, das heißt nicht selbstverfügtes Können und auch nicht von Menschen gemachte Institution, sondern Hineingebundenwerden in das „Wort vom Anfang her“ (1   Joh 1,1), in die geistgewirkte Gemeinschaft der Zeugen. Das griechische Wort für Nachfolge –
diadochē
– hat strukturellen und inhaltlichen Sinn zugleich: Es bedeutet das Weitergehen der Sendung in den Zeugen. Es bedeutet aber auch den Inhalt: das überlieferte Wort, an das der Zeuge durch das Sakrament gebunden wird.
    Zusammen mit der „apostolischen Nachfolge“ hat die Alte Kirche zwei weitere Grundelemente für ihre Einheit gefunden (nicht
er
funden!): den Kanon der Schrift und die sogenannte Glaubensregel. Mit dieser ist eine sprachlich nicht im Einzelnen festgelegte kurze Summe der wesentlichen Glaubensinhalte gemeint, die in den verschiedenen Taufbekenntnissen der frühen Kirche eine liturgischgeformte Gestalt gefunden hat. Diese Glaubensregel bzw. das Glaubensbekenntnis bildet die eigentliche „Hermeneutik“ der Schrift, den aus ihr selbst gewonnenen Schlüssel, um sie ihrem Geist gemäß auszulegen.
    Die Einheit dieser drei Aufbauelemente der Kirche   – Sakrament der Nachfolge, Schrift, Glaubensregel (Bekenntnis) – ist die wirkliche Bürgnis dafür, dass „das Wort echt erklingen“ kann, dass „die Tradition festgehalten wird“ (vgl. Bultmann). Natürlich ist von diesen drei Pfeilern der Jüngergemeinschaft der Kirche im Johannes-Evangelium so nicht die Rede, aber mit dem Verweis auf den trinitarischen Glauben und auf das Gesandtsein hat es doch die Fundamente dafür gelegt.
     
    Kommen wir noch einmal darauf zurück, dass Jesus betet, durch die Einheit der Jünger möge die Welt ihn als den Gesandten des Vaters erkennen. Dieses Erkennen und Glauben ist nichts bloß Intellektuelles; es ist das Berührtwerden von der Liebe Gottes und darum verwandelnd, Gabe des wirklichen Lebens.
    Die Universalität der Sendung Jesu wird sichtbar: Sie betrifft nicht bloß einen beschränkten Kreis von Erwählten; ihr Ziel ist der Kosmos – die Welt in ihrer Ganzheit. Durch die Jünger und deren Sendung soll die Welt als Ganze ihrer Entfremdung entrissen werden, die Einheit mit Gott wiederfinden.
    Dieser universale Horizont, der kosmische Charakter der Sendung Jesu erscheint ebenfalls in zwei anderen wichtigen Texten des vierten Evangeliums, zuerst im Nachtgespräch Jesu mit Nikodemus: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab“ (3,16) und dann – jetzt mit der Betonung auf dem Opfer desLebens – in der Brotrede zu Kafarnaum: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch. Ich gebe es hin für das Leben der Welt“ (6,51).
    Aber wie steht zu diesem Universalismus das harte Wort, das sich im Vers 9 des Hohepriesterlichen Gebets findet: „Für sie bitte ich, nicht für die Welt bitte ich“? Um die innere Einheit der scheinbar gegensätzlichen Bitten zu verstehen, müssen wir bedenken, dass Johannes das Wort
Kosmos
– Welt – in doppelter Bedeutung verwendet. Zum einen verweist es auf die ganze gute Schöpfung Gottes, besonders auf die

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