Jesus von Nazareth - Band II
Wohnstatt wird.
Basil Studer hat darauf aufmerksam gemacht, dass in den Anfängen der Christenheit „jüdisch beeinflusste Kreise“ eine „spezielle Namens-Christologie entwickelt“ haben. „Name, Gesetz, Bund, Anfang, Tag“ wurden nun Christus-Titel (
Gott und unsere Erlösung
…, S. 56 u. 61). Man weiß: Christus selbst, als Person, ist „der Name“ Gottes, Gottes Zugänglichkeit für uns.
„Ich habe deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen.“ – Die Selbstgabe Gottes in Christus ist nicht Vergangenheit: „Ich werde ihn bekannt machen.“ Immerfort geht Gott in Christus auf die Menschen zu, damit sie auf ihn zugehen können. Christus bekannt machen heißt Gott bekannt machen. Durch die Begegnung mit Christus geht Gott auf uns zu, zieht uns in sich hinein (vgl. Joh 12,32), um uns gleichsam über uns selbst hinauszuführen in die unendliche Weite seiner Größe und seiner Liebe.
„Dass sie alle eins seien …“
E in weiteres großes Thema des Hohepriesterlichen Gebets ist die künftige Einheit der Jünger Jesu. Der Blick Jesu geht dabei – einzigartig in den Evangelien – über die jetzige Jüngergemeinschaft hinaus und richtet sich auf alle, die „durch ihr Wort glauben werden“ (Joh 17,20): Der weite Horizont der kommenden Gemeinschaft der Glaubenden öffnet sich über die Generationen hin, die künftige Kirche ist in Jesu Gebet hineingenommen. Er bittet für die künftigen Jünger um Einheit.
Viermal wiederholt der Herr diese Bitte; zweimal wird als Ziel der Einheit genannt, dass die Welt glaubt, ja, dass sie „erkennt“, dass Jesus vom Vater gesandt ist: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien wie wir“ (v. 11). „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (v. 22f). „Sie sollen eins sein, wie wir eins sind … Sie sollen vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast …“ (v. 21ff).
In keiner Rede zur Ökumene fehlt der Hinweis auf dieses „Testament“ Jesu – darauf, dass er vor dem Gang ans Kreuz den Vater beschwörend um die Einheit der künftigen Jünger, der Kirche aller Zeiten gebeten hat. Und das ist gut so. Aber umso dringender ist die Frage: Um welche Einheit hat Jesus da gebetet? Was ist seine Bitte für die Gemeinschaft der Glaubenden die Geschichte hindurch?
Es ist lehrreich, zu dieser Frage wiederum Rudolf Bultmann zu hören. Er sagt zunächst – wie es im Evangelium steht –, dass diese Einheit in der Einheit von Vater undSohn begründet ist, und fährt dann fort: „Sie gründet also nicht in natürlichen oder weltgeschichtlichen Gegebenheiten, und sie kann auch nicht durch Organisation, durch Institutionen oder Dogmen hergestellt werden … Geschaffen werden kann die Einheit nur durch das Wort der Verkündigung, in der der Offenbarer – in seiner Einheit mit dem Vater – jeweils gegenwärtig ist. Und bedarf die Verkündigung zu ihrer Realisierung in der Welt der Institutionen und Dogmen, so können diese doch nicht die Einheit echter Verkündigung garantieren. Andererseits braucht durch die faktische Zersplitterung der Kirche, die übrigens gerade die Folge ihrer Institutionen und Dogmen ist, die Einheit der Verkündigung nicht vereitelt zu werden. Überall kann das Wort echt erklingen, wo die Tradition festgehalten wird. Da die Echtheit der Verkündigung nicht … kontrollierbar ist und da der dem Wort antwortende Glaube unsichtbar ist, so ist auch die echte Einheit der Gemeinde unsichtbar … Unsichtbar ist sie, da sie überhaupt kein weltliches Phänomen ist …“ (
Das Evangelium des Johannes,
S. 393f).
Diese Sätze sind erstaunlich; vieles an ihnen wäre zu diskutieren, zunächst der Begriff von „Institutionen“ und „Dogmen“, dann aber mehr noch der Begriff der „Verkündigung“, die offensichtlich selbst die Einheit schafft. Ist es wahr, dass in der Verkündigung der Offenbarer in seiner Einheit mit dem Vater gegenwärtig ist? Ist er nicht oft erstaunlich abwesend? Nun, Bultmann gibt uns einen gewissen Maßstab dafür, wo das Wort „echt“ erklingt: da, „wo die Tradition festgehalten wird“. Welche Tradition?, muss man da fragen. Wo kommt sie her, worin besteht sie? Nicht jede Verkündigung also ist „echt“, aber wie erkennen wir sie? Die „echte Verkündigung“ schaffe selbstdie
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