Jesus von Nazareth - Band II
Befehl aufgefasst, sondern als Teil des Betens im Mitbeten mit Jesus; als zentralen Teil des dankenden Lobpreises, durch den uns die irdische Gabe von Gott her neu geschenkt wird als Jesu Leib und Blut, als Selbstschenkung Gottes in der sich öffnenden Liebe seines Sohnes. Louis Bouyer hat die Entwicklung der christlichen Eucharistia – des Hochgebets – aus der jüdischen Berakha nachzuzeichnen versucht. So wird verständlich, dass „Eucharistie“ zum Namen für das ganze von Jesus geschenkte neue gottesdienstliche Geschehen wurde. Darauf werden wir im vierten Abschnitt dieses Kapitels noch einmal zurückkommen müssen.
Als Zweites wird uns gesagt, dass Jesus „das Brot brach“. Das Brechen des Brotes für alle ist zunächst die Funktion des Hausvaters, der damit irgendwie auch den Vater-Gott vertritt, der uns allen das für das Leben Nötige durch die Fruchtbarkeit der Erde zuteilt. Es ist dann auch der Gestus der Gastlichkeit, durch die man den Fremden am Eigenen teilhaben lässt, ihn in die Tischgemeinschaft aufnimmt. Brechen und Teilen: Gerade das Teilen schafft Gemeinschaft. Diese menschliche Urgeste des Gebens, des Teilens und Einens, erhält im Letzten Mahl Jesu eine ganz neue Tiefe: Er gibt sich selbst. Die austeilende Güte Gottes wird ganz radikal in dem Augenblick, in dem der Sohn im Brot sich selber mitteilt und austeilt.
Die Geste Jesu ist so zum Sinnbild für das ganze Geheimnis der Eucharistie geworden: In der Apostelgeschichteund überhaupt in der frühen Christenheit ist „Brotbrechen“ Bezeichnung für die Eucharistie. In ihr empfangen wir die Gastlichkeit Gottes, der sich in Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, an uns verschenkt. So aber ist Brotbrechen und Teilen – der Akt der liebenden Zuwendung zu dem, der meiner bedarf – eine innere Dimension der Eucharistie selbst.
„Caritas“, die Sorge um den anderen, ist nicht ein zweiter Sektor des Christentums neben dem Kult, sondern in diesem selbst verankert und ihm zugehörig. Horizontale und Vertikale sind in der Eucharistie, im „Brotbrechen“ untrennbar verbunden. In der doppelten Aussage vom Danken und Teilen zu Beginn des Einsetzungsberichtes wird das Wesen des neuen Kultes sichtbar, den Christus in Abendmahl, Kreuz und Auferstehung gestiftet hat: Darin wird der alte Tempelkult aufgehoben und zugleich zu seiner Erfüllung gebracht.
Kommen wir zu dem über das Brot gesprochenen Wort. Nach Markus und Matthäus lautet es einfach: „Das ist mein Leib“, Paulus und Lukas fügen hinzu: „der für euch hingegeben wird“. Sie verdeutlichen damit, was an sich in der Gebärde des Austeilens enthalten ist. Wenn Jesus von seinem Leib spricht, so ist damit selbstverständlich nicht der Körper im Unterschied zu Seele oder Geist gemeint, sondern die ganze, leibhaftige Person. In diesem Sinn kommentiert Rudolf Pesch mit Recht: Jesus „setzt die besondere Bedeutung seiner Person bei seiner Brotdeutung voraus. Die Jünger konnten verstehen: Das bin ich, der Messias“ (
Markusevangelium
II, S. 357).
Wie aber kann das geschehen? Jesus steht doch inmitten seiner Jünger – was tut er da? Er vollzieht das, was erin der Hirtenrede gesagt hatte: „Niemand entreißt mir mein Leben, sondern ich gebe es von mir aus hin“ (Joh 10,18). Das Leben wird ihm am Kreuz entrissen, aber er gibt es jetzt schon von sich aus hin. Er wandelt seinen gewaltsamen Tod in einen freien Akt der Hingabe seiner selbst für die anderen und an die anderen um.
Und er weiß: „Ich habe Macht, mein Leben hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen“ (ebd.). Er gibt das Leben und weiß, dass er es gerade so neu nimmt. Im Geben seines Lebens ist die Auferstehung miteingeschlossen. Deswegen kann er antizipativ sich schon jetzt austeilen, weil er jetzt schon das Leben – sich selber – gibt und es darin jetzt schon wieder empfängt. So kann er jetzt das Sakrament stiften, in dem er sterbendes Weizenkorn wird und durch die Zeiten hindurch in der wahren Brotvermehrung sich selbst an die Menschen austeilt.
Das Kelchwort, dem wir uns nun zuwenden, ist von einer außerordentlichen theologischen Dichte. Wie oben schon angedeutet, sind in dessen wenigen Worten drei alttestamentliche Texte miteinander verwoben, so dass darin die ganze vorhergehende Heilsgeschichte zusammengefasst und wieder Gegenwart wird.
Da ist zunächst Ex 24,8 – der Bundesschluss am Sinai; dann ist da Jer 31,31 – die Verheißung des Neuen Bundes inmitten der
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